Zeitschrift für Sprungkraft und Leuchtstoff

Kein Gerede

Leise regt sich Bass und Klingeling. Sonnenstrählchen dringen in mein Zimmer, dessen fader Gestank alter auf dem Boden verteilter mehrfach getragener zerlöcherter Socken in der Note muffiger Akkorde verhallt, sie steigen gebrochen antivirtuos aus den hingehäuften Massen gehäuteter Bettwäsche durch die eingefallenen Furchen plattgelegener Schattierungen des von Kaffeeflecken unverzierten Bettbezugs. Seit Wochen versagt mir der Antrieb irgendetwas zu waschen oder zu ordnen. Ich fingere an einem Zigarettenblättchen, eingefaltet haust es zwischen Fingerkuppen und weigert sich auseinanderzugehen. Die beiden Blättchenhälften wollen sich nicht trennen. Aber ich bin ihr Schicksal und setze mich durch. Das Lied beginnt von Neuem. Ich öffne c:/2007/fastnacht/bilanz/getränke und finde dort meinen Musikordner. Ich wähle etwas neues. Ich nippe an meinem Kaffee. Kleine ölige Felder segeln über die hellbraune Zartgrundierung in den Grenzen der Oberflächenspannung - zwischen rundem Porzellan - tun sich schwimmend kleine plus ölige Felder an. Es ist wieder einmal Morgen und die Bereitschaft etwas zu unternehmen muss sich erst noch befreien aus der Trägheit des Beginns. Es liegt in der Natur des Phänomens Entwicklung, dass sie erst zögerlich beginnt. Entwicklungsschritt n ist eine Funktion des Entwicklungsschritts n-1. Die Funktion ist rekursiv definiert und nun, das erklärt mir vieles und ich wickele mich neuerlicherdings in die Bettwolken ein. Gestern war ich bereits mit den Füßen unter einer Kopfkissenwolke gewesen und also hing ich mit dem Kopf nach unten in der Luft. Ganz schwer wurde es unter den Stirngewölben, obwohl ich dabei natürlich nichts fühlte, die alten Weinfässer rollten in den Hinterkopf, die Zargen ächzten. Heute werde ich erneut Literaturkritiken aus den Jahren 1910-1914 lesen und ich habe noch sechs Wochen für meine Abschlussarbeit Zeit. Es wird mein Abschiedsbrief sein. Ich werde mich aus dieser Stadt befreien, die es nicht wert ist namentlich erwähnt zu werden, die üble Nachrede würde mich ins Zuchthaus werfen für Jahr und Nacht. Ein Neubeginn zeichnet sich ab, auch wenn das Wo und Wie nicht auserwählt ist noch. "Was viele nicht wissen", hat mir gestern eine Person erzählt, bei der die Vereinbarung darin besteht als Begrüßung zweimal in die Händlein zu klatschen, das Buch oder die Tüte im Land zwischen Arm und Brust verstaut, was viele nicht wissen:", dass man zufrieden ist wenn man aufgehört hat unzufrieden zu sein. Das wissen viele nicht. Sie glauben immer Zufriedenheit hänge von äußeren Umständen ab." - "Ja das kann sehr wohl sein. Man würde halt traditionell einwenden, dass glücklich sein dann bedeutet, einfach einen Schalter umgelegt zu haben, glücklich sein willkürlich definiert zu haben. Das es etwas konstruiertes sei und nicht natürlich. Aber der Einwand verliert sich schnell, wenn man die Angst vor mechanischen Bauteilen - Schaltern - verloren hat." Ja schön und gut. Ich will mir darüber keine Gedanken mehr machen. Jetzt ist die Sonne auch weg und konturiertes Kühl prescht in Lufttruppen herein durch die Einfallspforte des Fensters, diesem schachtigen Blick auf die Fachwerkbalken, die aus dem Basaltpflaster in die Gipsmengen streben. Diese Altstadt ist wie ein naives romantisches Gedicht. Wo bleibt der Baustahl, die freie Lyrik des Weges durch die Hochhausfassaden am schmutzigen Spielplatz vorbei über die Gleise durch die Unterführung am Lärm vorbei und den vielen abblätternden Plakaten und die Drähte über den Strassen und die spiegelnden Flächen antennenbemützer langer Sachen des Baus. Bei jedem Satz muss ich mich unterdrücken zu erwähnen, wie mich dieses gewollt lyrische dieser Zeilen anmüdet. Ich muss jetzt ohnehin zuerst in die Pflicht rennen. Pah. Ich muss sogar Batterien kaufen. Der zeitgenössische Mensch kauft Batterien, wie lässt sich das vereinbaren mit dem Willen zur Flucht aus der Willkür der alltäglichen Bagatelle. Vielleicht auf eine besondere Spielart der Nichtursächlichkeit die Beine koordinieren, wenn ich zum Geschäft laufe. Im bitterbösesten bayrischen Dialekt mit der Kassierin reden, sauunhöflich sein oder auch nicht und die Batterien dann in den Schuhen verstauen und die Zunge aus dem Mund hängen lassen. Aber es kommt noch schlimmer. Ich muss hinterher ein Diktiergerät installieren und den Treiber suchen, dabei ist es Pflicht zu gähnen. Und ein Programm suchen mit dem ich wav-Dateien in mp3-Dateien umwandeln kann. Wieso kann man das nicht einfach per Willenskraft machen. Bin ich wirklich so minderbemittelt, dass ich Technik zu Rate ziehen muss? Ich dachte die Welt ist Wille und Vorstellung. Mist.

2 Kommentare:

*._.* Silent Tiffy hat gesagt…

Pötchen, ich hab das doch alles auf CD. Das war doch alles mit drin im Paket. Außerdem hab ich diesen Text sehr, sehr lieb.

Anonym hat gesagt…

Pötchen, sie sind ein scharfer Hund, der es verdient hätte, in einem Moment der Unachtsamkeit die Schwäre geleckt zu bekommen.