Zeitschrift für Sprungkraft und Leuchtstoff

Bildanalyse erotischer Fotografie

Interpretation erotischer Kunst kann wie die Interpretation überhaupt in Rekurs auf verschiedenes methodisches Inventar operativ vollzogen werden. Der methodische Bezugsrahmen determiniert hierbei die Art der Analyse ebenso wie die im Erwartungsspektrum präfigurierten Resultate und Quasiresultate des Erschließungsprozesses. Wir verstehen Interpretation im Rahmen der Sprechakttheorie als Handlung. Handlungen können strukturell sprachlicher sowie nichtsprachlicher Art sein, genügen aber laut common sense dem Fundamentalschema von Handlung. Zunächst gibt es einen Träger der Handlung, sowie die Handlung selbst, die sich notwendigermaßen vom Handelnden selbst unterscheidet. Die Identität des Handelnden mit dem Träger der Handlung ermöglicht erst die Bestimmung dessen was im Unterschied zum Ausführenden der Handlung als Handlung selbst verstanden werden kann. Weiter ist die Handlung als Handlung in sich je in das gesellschaftliche Gesamtsystem von Handlung eingebunden und unterliegt den gegebenen historisch herausgebildeten Kontexten und Bestimmungen der jeweiligen Handlungsschemata, die bei einer konkreten Handlung aktualisiert werden. Dabei vollzieht sich die Aktualisation von Handlungsschemata innerhalb eines soziologisch relevanten Symbolvorrats, dessen Immanenz im Handlungskontext den Handelnden als Symbol von Handlung in der Weise ausschließt, als dass eine Aufstockung des etwaig vorhandenen Symbolreservoirs die Verfügbarkeit des Individuums - vor allen Dingen in der Interpretation - als Matrix der ausführbaren Handlungen überhaupt erst erzeugt. Und zwar konstitutiv erzeugt.
Die Gleichzeitigkeit der vorhandenen Existenz des interpretativ Agierenden mit dem Prozess der Interpretation selbst sowie der Interpretationssubstanz ist Vorraussetzung einerseits, wie andererseits Interpretation als bestimmter Handlungstyp in ihrem Zeitbezug genetisch begründet liegt. Diese Auflösung in einer Simultanstruktur artikuliert sich im Aspekt des Raumes in der Gefahr, die der Interpretierende stets ausgeliefert ist, nämlich die Gleichzeitigkeit ins Räumliche übergreifen zu lassen, und als Interpretierender zum durch sich selbst Interpretierten deformiert zu werden, das heißt, sich selbst in das Bild zu projizieren, und damit als zeichenhafte Geste über der Zeichenkette des Interpretationsergebnisses als Einlagerung verschmutzend aufzutauchen.
Bei der Interpretation erotischer Kunst, beispielsweise Kunst mit Sexuelles implizierenden Bedeutungsebenen, unterliegt der theoretische, analysierende Zugang einigen hinzukommenden Einschränkungen und Freiheiten. Die psychoanalytische Macht-Architektur des Menschen ist hier der formale Grund für die faktische Unmöglichkeit hier interpretierendenfrei zu interpretieren. Die eigenen Sehnsüchte sind schon immer mit in das Bild gelegt, eine Interpretation erfolgt hier zwangsweise unter dem Edikt eines Sichselbstbegehrens. Um einen wesentliche Differenz zwischen sexuell variablenfreier, sexuell unkonnotierter Kunst und erotischer Kunst zu nennen, geschieht hier die Interpretation gewissermaßen nicht mehr freiwillig. Bei ersterem steht der Interpret nur unter dem Diktat des Bildes selbst, bei letzterem ist er der Diktatur des absolutistisch in Erscheinung tretenden Interpretationsprozess ausgeliefert. So wie sein unbewusstes Trieb- und Wunschpotenzial Herrschaft über das Ich ausübt, so proklamiert die Interpretation den Zustand einer Sklaverei der Interpretation über das interpretierende psychologische Individuum. Das Subjekt begehrt zu interpretieren. Es wird ein Lustopfer der Interpretation. Es begehrt, lustvoll zu interpretieren, zu interpenetrieren, es strebt nach dem befriedigenden Abschluss der Interpretation. Die Konsequenz ist, dass die Interpretation erotischer Kunst im Gegensatz herkömmlicher Interpretation immer ein Ergebnis hat. Sie ist in diesem Sinne schon immer vollständig gewesen.
Die Interpretation erotischer Kunst steht aber auch unter dem Vorzeichen besonderer Freiheiten. Es ist ihr gestattet in besonderer Weise subjektiv zu sein. Das vom Es über den Hergang der Interpretation verhängte Verbot objektiv und ichfrei zu sein, ermöglicht aber auch eine Form der Trotzreaktion hierauf, nämlich ungehemmt subjektiv und willkürlich sein zu können und so fast jedes beliebige Resultat zu legitimieren. Bei erotischer Kunst kann das interpretierende Subjekt ganz nach gusto den jeweiligen interpretatorischen Fetisch vulgär, ordinär und leidenschaftlich zur freien Entfaltung zu bringen. Dass die Interpretation von erotischer Fotografie noch einmal um einige Winkelminuten geiler ist als diejenige restlicher erotischer Kunst, liegt an der größeren Detailtreue und Auflösung gegenüber Gemälden. Mit der Konkretheit von Photografie korrespondiert die genuin konkrete Natur von Sexualität – selbst wenn sie ein imaginatives Virtualprodukt ist, so ist sie doch immer konkret. Freuen wir uns auf das Beispiel.
Eine wissenschaftlich wertvolle Interpretation muss ihren Ausgangspunkt immer bei einer exakten Beschreibung des zu Interpretierenden finden. Was ist also auf der Fotografie zu sehen und auf welche Art und Weise ist es dargestellt.
Wir sehen eine geriffelte Metalloberfläche. Die Oberfläche einer Spüle, links ist das Spülbecken zu sehen. Hier und da ein Tropfen Wasser. Mannigfacher Glanz. Wir sehen weiterhin eine braune Schale, wobei uns der Künstler hinsichtlich der Bestimmung, aus welchem Holz sie gefertigt ist, im Dunklen lässt. Er betrügt uns um die Wahrheit. In der braunen Schüssel befindet sich eine spiegelnde Flüssigkeit, möglicherweise Wasser. Auch das wissen wir nicht. Was wissen wir überhaupt? Aus dem Wasser streckt sich eine Karotte hervor, etwa die Hälfte des Wasser wird von deren Spiegelung beansprucht. Neben der Karotte sind zwei Weinbeerentrauben in die Flüssigkeit gelegt. Der Weinberg, auf dem diese wuchsen, ist an den Trauben jeweils als sich über den Schüsselrand streckende Äste noch behutsam angedeutet.
Worum handelt sich. Ist etwas in dem Bild zu erkennen? Ist etwas Besonderes dargestellt? Wahrscheinlich nicht. Eine Art Obstkorb ist zu sehen, ein Stilleben. In modernen Edelstahl-Ambiente. Oder ist da etwa doch etwas? Nun. Die Parallelen zum männlichen Geschlechtsteil sind äußerst zart gehalten. Wir denken aber nicht, dass wir uns zu weit über den Tellerrand lehnen, wenn wir darin die Allegorie auf das männliche Geschlecht dargestellt zu sehen glauben. Der Phallus selbst wird von der Karotte repräsentiert, die Weintrauben bilden die Testikel. Links ist das weibliche Becken durch das Spülbecken repräsentiert. Es fragt sich, ob es sich um eine Komposition handelt oder ob das Bild zufällig entstanden ist. Da die Ähnlichkeiten zum männlichen Geschlechtsteil eher zufällig als beabsichtigt erscheinen, befürworten wir letzteres. Es ist wohl kaum keine absichtliche Komposition.
Optisch ist das Bild äußerst effektvoll. Es scheint die Aufnahme einer in sich ruhenden Bewegung zu sein. Der Witz besteht darin, dass die Linien eine optische Täuschung herufrufen. In einer Art Op-Art Technik scheint sich das Bild ständig zu bewegen. Es ist ein Hin und Her zu beobachten. Die Linien der Spüle flimmern. Das Auge wird angestrengt. Mit dem Hin und Her des Flimmerns ist an den Archetyp der Kopulationsgeste erinnert: das Hin und Her. Darüber hinaus lässt sich das Ganze auch als Wellenbewegung lesen. Während das Wasser in der Holzschale selbst still liegt, überschlägt sich außerhalb des "Holzbootes" beziehungsweise der braunen Holzschaleninsel Wellenkamm um Wellenkamm. Das Meer tobt. Das männliche Geschlecht liegt jedoch still. Die gerillte Oberfläche des Metalls ist ein Negativ zur Performation des Greifens. Sie versinnbildlicht auf einsichtige Weise die Körperberührung. Stille und Bewegung bilden einen für die Wirkung beim Rezipienten entscheidenden Kontrast. Es entsteht eine Spannung von hochkantig knistender, pulsierender Erotik.
Der Künstler hat aber nicht nur auf diese Art mit Kontrasten gearbeitet, mit der Gegenüberstellung von männlich und weiblich. Von den vielen vorhandenen Intertextualitäten, die sich in diesem Bild finden, soll noch eine Erwähnung finden.
Wenn man das Bild als Landkarte liest, dann zeigt die Karotte nach Osten. Mittelalterliche Landkarten waren geostet, das heißt Osten war oben auf der Karte. Die Geburtsstätte Jesu war eben im Osten, und dieser das Zentrum des christlichen Glaubens, der auf mittelalterlichen Karten also oben, in Richtung Himmel sozusagen verortet war. Auf einer mittelalterlichen Landkarte würde die Karotte also nach oben zeigen, man hätte das Symbol eines erigierten Phallus vor sich. Hier ist dem nicht so. Was heißt das nun für die Vorstellung von Christentum, die auf diesem Bild entwickelt wird. Spielt es auf die biblische Weisung „Seid fruchtbar und vermehret euch“ an, mit dem Hinweis, dass in neueren heidnischen Tagen biblische Gebote in gefährlicher Weise nicht mehr befolgt werden, und dass sich das Meeresbecken in der linken Bildhälfte bald mit Sintflutwasser füllen wird, das weibliche Becken sich also mit Fruchtwasser, auf dem das Holzboot mit der Karotte als Fruchtbarkeitssymbol getragen werden wird. Einem ungewissen Schicksal entgegen? Eine Versinnbildlichung des heiligen Sakraments der Ehe also? Die Karotte als Priesterstab, an dessen Wurzel, sich zwei Rosenkranzketten zusammengerollt haben? Der Sieg des weiblichen Geschlechts? Die Rillen des Spülbeckens als männliche Rippen, beflutet von weiblichem Fruchtwasser? Die Trennung des männlichen Geschlechtsorgans also vom Restkörper durch den Sintflutregen als Symbol des Zölibats des Priesteramts? Spielt Religion hier vielleicht doch keine Rolle?
Diese Fragen können hier genau so wenig beantwortet werden, wie ebenso nicht aufgezeigt werden kann, wie vielschichtig dieses Bild ist. Wieso zum Beispiel wurde hier eine Karotte verwendet? Weil die Karotte eben die Leibspeise des Hasen ist, von dem wir wissen, was diesem nachgesagt wird? In Anspielung auf Künstler, die Zarenkronen in Hasenform gießen?
Ein einziger Hinweis soll noch genügen. Wieviele Rillen können wir auf der Spüle sehen. Wieviele Erhebungen. Wenn man die untere linke Ecke noch als angedeutete Rille sehen will, dann zählt man 23 Stück. Zählen wir sie nicht mit, dann ist man bei 22. Wieviele Erhebungen sehen wir aber unverhüllt, also weder nur ausschnitthaft gezeigt noch durch die Schale verdeckt? Richtig. Es sind sechs. Es sind die überhalb der Schüssel, ausgenommen der obersten. Schreibt man jetzt sechs ein wenig anders erhält man: Sex. Eine relativ dünne Feststellung, dennoch: Ist es nicht vollmundig unheimlich, aus wie vielen Dimensionen es aus diesem Bild der pure Sex auf den Betrachter regnet?
Kommen wir abschließend noch auf einen oben in den einleitenden Worten fomulierten Umstand. Dort sagten wir, dass bei erotischer Kunst, die Interpretation die eigentlich naturgemäß dem Bild selbst zugefallene Rolle der Diktatur über das interpretierende Subjekt übernimmt. Der entscheidene Punkt, und darüber hinaus der tiefe Wert des vorgestellten Werkes, liegt darin, dass wir eigentlich einem naturlyrischen Stilleben ohne geschlechtliche Konnotation als Betrachter gegenübergestellt werden. Der Interpretierende oszilliert bei der Betrachtung unter sich wechselseitig ablösenden Diktaturen. Einmal wird er vom Bild selbst beherrscht, es zieht ihn auf erotische Weise an, während er im nächsten Moment von der Interpretation beherrscht und von ihr durchgeistigt wird. Damit oszilliert er zwar auch zwischen Freiwilligkeit und Zwang, vielmehr aber erlangen das Bild - das in mehrere Einzelerregungen zu zerfallen scheint - gleichsam unter diesem Wechselstrom eine unglaubliche Intensität. Diese alternierende Situation wird im Bild von der Rillenstruktur als Bildelementes selbst integriert, und von der Rillenstruktur der Spüle aufgegriffen. Die Bilder sind in ihrer Dimensionalität von gerade zu brutaler und ichvernichtender Kraft. Die qualitative psychoempirische Forschung konnte in einer Längsstudie mehrfach geistige Orgasmen bei den Rezipienten nachweisen. Durch die ultraschnelle Zirkulation beider Diktaturebenen und Machtformationen wird der Betrachter paralysiert und von sich selbst entfernt im ichlosen Rauschen holistischer Verzückung in die Aufblühung gebracht. Welche Prozesse hier stattfinden, kann genauer auf dem hier nur äußerst beschränkten Platz nicht ausgeführt werden. Resultate liegen eh noch nich vor, ey. Die gegenwärtige Forschung versucht aber derzeit in einem verzweifelten Kampf gegen die menschlichen Erkenntnisgrenzen genaueres zu ermitteln.

marketing in a loop oder Betreff: Ihr Bewerbungsschreiben

Na mein Kleiner?

Deine Bewerbung fanden wir bärenstark. Sie ist wirklich nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut. Du legst dich ja wirklich ins Zeug, um uns zu überzeugen.
Aber Spaß beiseite - obwohl wir gestehen müssen, dass es eine Herausforderung ist, ein solches Schreiben im Stil nicht zu imitieren - auch wenn es nicht gelingen würde vermutlich -, wollen wir Ihnen ernsthaft antworten. Wir als der größte Expoteur von Altglas an ingesamt vierzehn außereuropäischen Binnenhäfen ... Es ist wirklich schwer. Zuerst: Es ist uns eine Ehre, dass sie Interesse für unseren Piratensender (mit Kolonialwarenladen mit Seeblick im Dachgeschoss) zeigen. Wir bekommen täglich so viel langweilige Post der kreativen Elite und subito erhalten wir aus heiterem Himmel ein solches Juwel gelenkter Willkür und zentralistisch administrierter Diplomatenrhetorik. Sie waren Erheiterung. Sie denken erfrischend unwirtschaftlich. Lassen Sie uns raten. Sie können Sich an ihre Kindheit kaum erinnern. Das ist einer der Hauptgründe, warum sie die Vermutung anstellen, sie seien so eine Art Autist als Kind gewesen. Sie entstammen einer Arbeiterfamilie, oder vielleicht ist ihr Vater Büromaschinentechnicker gewesen, ihr Mutter hat als Bedienung dort gearbeitet, wo ihr Vater Schlager am Keyboard spielte und so weiter: aber sie hatten zuviel in der Birne. Dann haben Sie als Sechsjähriger begonnen am C64 zu programmieren. Die Befehlszeile load "xyz", 8, 15 hat sich auf ewig in ihr Hirn gebrannt, genauso wie syntax error. Sie sind in einem naturumgebenen Umfeld aufgewachsen, ihr Onkel, der zwei Bücher von Nietzsche besaß, hat- gegen den Willen ihres Vaters - darauf gepocht, sie aufs Gymnasium zu schicken. Sie waren der erste deutsche Fall von Leistungskurs Akkordeon und Schach. Ihr Abitur haben sie mit 3,0 gemacht und anschließend dachten Sie, sie hätten ihren Pflichtzoll entrichtet, das wäre es gewesen mit der Realität. Aber oh nein, da haben Sie sich getäuscht. Sie haben wild in der Gegend herum studiert, Leute kennen gelernt, die sich an Stelle ihre Namens mit "mit Frischkäse gefüllte Panzerfaust" am Telefon gemeldet haben und mit denen man barfuß über die Schnellstraße in der Peripherie Freiburgs laufen konnte. Sie hatten hundert Euro im Monat, haben aber dafür 70 Stunden im Monat im Getränkemarkt gearbeitet, um die Langzeitgebühren hinzubekommen, am Fließband haben Sie Pfandflaschen sortiert. Ja wir wissen das. Warum. Verdammt weil wir ein PR-Unternehmen sind, junger Mann, das ist Wirklichkeit. Es geht hier um inhaltliche Dinge. Schauen Sie sich doch zum Beispiel nur das Design ihres Blogs an, wenn man überhaupt von einem Design sprechen kann. Dass solche Dinge wichtig sind, das müssen sie erst noch lernen. Hier heißt es: "So hier verschieben Sie das Bild bitte in die linke untere Ecke, den Satz auf der Seite dann zweispaltig, so und für das nächste haben wir dann von diesem Kölner da, Sie wissen schon, diese Schriftart gekauft. Sie sehen wir sind da ihrem Vorschlag nachgegangen." Das würde Sie doch langweilen, oder? Ja genau, großer fliegender Achill, Sie würden in Sitzungen für bestimmte Schriftarten argumentieren müssen, und es geht um Geld. Ach Realität, richtig, das wollen Sie ja von uns. Sie denken ja, dass es nichts anderes mehr gibt.
Aber das ist alles nicht der Punkt. Warum argumentieren wir so. Nicht etwa weil wir ihr Bewerbungsschreiben für realitätsfern halten. Es ist bodenständig wie Sand am Meer. Allerdings. Wir haben jedoch eben Kontakte. Und unsere Chefredakteurin war zufällig mit Ihrem Bewerbungshelfer im Urlaub. Das wissen Sie nicht? Das kann man sogar im Internet nachlesen! Wobei Sie glücklicherweise aber nicht erwähnt werden, wie man dazu sagen muss. Was Sie genau gemacht haben, wissen wir nicht. Aber wir mussten erfahren, dass sie bereits drastischere Mittel zum Einsatz gebracht haben, als nur eine kuriose Sprache. Wir hätten Sie eigentlich genommen. Mindestens eingeladen. Auf ihrem Monitor wäre eine Pflanze ihrer Wahl gestanden, sie wäre nach wenigen Wochen wegen Verwahrlosung eingegangen. Aber dafür hätten Sie eine Sekretärin gehabt. Sie hätten in das gelbe Zimmer mit der grünen Tapete gedurft, wo es nicht schlimm ist, wenn da Menschen drin sitzen, die sich nicht rasieren und nicht wissen wer gerade Kultusminister in Bayern ist. Sie wären nach zwei Jahren der Chef der Kreativabteilung geworden. Aber selbst so jemand bewirbt sich ernsthaft.
Zum Punkt,während dieses Urlaubs, hat ihr Bewerbunghelfer - glauben Sie nicht wir hätten da von vorneherein oder prinzipiell Vorurteile - Bedenken geäußert. Die Sache sei ernst mit Ihnen. Sie würden mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder straffällig werden, wenn sie feste Verhältnisse um sich hätten. Sie halten Wirklichkeit nicht aus, sie nennen das Feststoffhaft. Stellen Sie sich vor, sie müssen, bei uns in der PR, Leute von Dingen überzeugen, die Ihnen vollkommen gleichgültig sind. Ach aber wahrscheinlich wissen Sie diese allgemeine Eigenschaft von Arbeit schon lange, dass man Dinge verfechten muss wie ein Eisenmann, obwohl man sich einen Pollenflug darum schert.
Ja. Wir überzeugen uns selbst nicht so ganz. Aber selbst ein Bewerbungsgespräch hielten wir für keine gute Idee. Mit Ihnen würden wir ohnehin nur eine halbe Stunde oder mehr lachen. Es würde zu nichts führen. Lassen Sie sich nicht entmutigen. Vielleicht klappts in der Kunst. Ach wir reden uns ja um Kopf und Kragen. Ach verdammt wir geben es zu, es is' halt das System.
Seien Sie uns nicht gram,

Mit freundlichen Grüßen,

Name steht auf dem Umschlag. Seufz.

Auf einem Lineal über die Ohnmacht balancieren

Da vorne an der hohlen Wand, da strecken sich die Stapelungen bis ans Deckenstahlgerüst. So viel Arbeit. So viel Zeit, die in Anspruch genommen werden muss. Die Staplerwege sind zugestellt, verbarrikadiert sind sie, die Blaumänner suchen nach Milimeterpapier, die Kommisioniererinnen rücken sich die Haarnadeln zurecht. Was eine Logistik ist erforderlich, dieses ganze Zeug aus dem Kopf zu schaffen. Von der Rampe hagelt es Stapler. Die Büros sind DIN A4-weiß vor losem Papier. Die Drucker schimpfen. Die Lastkraftwagen können nicht mehr. Jemand hat mal gemeint, was denn, die ganzen Hallen sind doch leer. Diesem Typen, der das gesagt hat, mit seiner beschissenen Symbolik, laut oder leise, das wissen nicht einmal die Dienstältesten mehr, dem müsste man das Reifenkreuz in der Kehle herumrühren, dem müsste man die Hubwagen aus den Händen reißen. Die Drossel müsste man ihm hinterher werfen. Vielleicht hat er ja recht. Und ich befinde mich doch in Feststoffhaft. Und ich ziehe ihm trotzdem das Schlüsselbund von der Schuhsohle ab und schicke ihn die Lohnsteuerkarten falzen, diesen Typen, am Getränkeautomat oder am Wasserspender will ich ihn in der nächsten halben Stunde sehen. Und natürlich, soll er sich umsehen, alles hier, alles ist voller Pappkartons, und Kunststoffschalen, Messingeimer, Trägerriemen. Der Seilwinden sind zu lange aufgesponnen worden. Welche Logistik ist erforderlich, alleine diesen Menschen mit dem Firmenfahrrad zur Stechuhr zu schleppen. Ausladen und wieder einladen, wie das geht, das weiß hier keiner mehr, und dann hat da jemand gesagt, ja das Werksgelände quillt über, dicht machen sollte man den Verein, und wisst ihr auch warum, hat er gefragt, und dabei auf einem Kabelbinder gekaut, und Linen auf einem Messbecher zerkratzt, weil die ganzen Schachteln leer sind. Es ist nichts drin, hat er umhertrompetet, dieser Meier oder Schmidt. Welche Logistik ist notwendig, sich das alles vom Hals zu schaffen, die kleinen Gedanken und die großen. Vielleicht bin ich wirklich nur in Feststoffhaft und es macht mir etwas aus. Vielleicht kann ich nicht mehr aufrecht liegen in diesem Unternehmen, dessen Führung man mir aufgedrängt hat, dessen Lohnbuchhaltung Ahnungslosen und solchen, die es einmal werden wollen aufgetragen wurde, vom Amt, dass in irgendeiner Kiste, noch etwas Wertvolles gefunden hat, und dann die Schranken von Außen nach unten gelassen hat. Aus dem Staub hat es sich gemacht. Und jetzt soll ich den Aufseher machen in diesem Konsortium, bin ich ein Magnat, dass ich so etwas könnte. In die Luft sprengen sollte man dieses Geviert, nach der Größe ordnen und dann in den Schacht schieben, alle Türen ölen sollte man, und die Hände in die Taschen fallen lassen. Was soll man machen. Bei welchem Unternehmen soll ich anfragen. Welche Armada an Fernfahrern schafft es, diesen Kopf endlich leer zu räumen. Die Regale von den Wänden zu reißen, den Schutt auf die Ladeflächen zu stürzen und Schluss zu machen mit dem Zustand in diesem Betrieb. Alles geht zu Bruch in diesem Haufen nichtsnutzigen Tands. Welcher Fünfstufenplan schafft es, dass die Eimer aus den Notausgängen geschleppt werden, die Fracht verladen, die Adressen ermittelt. Dass die Hebebühnen freigeschafft werden, die Sachen verpackt und so weiter. Damit hier gemaßregelt gearbeitet werden kann, hier in Werk I und II, verdammte Axt.

Die Stars unter dem Chapiteau

Übersättigt und unwichtig. (fotografiert in Neukölln)

Wenn wir unseren Auftritt haben, dann sind wir die Größten. Wir könnten in einem Humuskubus am Waldrand vor einer zufälligen Handvoll Feldhasen und Würmern auf der selbstgezimmerten Bühne stehen und wären uns sicher, die Welt ist die unsere. Wir haben Jahrtausende dafür gearbeitet, jetzt so wichtig zu sein.

Bewerbungsvorlage PR

Sehr geehrte Damen und Herren,

alle meine Freunde finden mich nett. Aber das bedeutet mir nichts. Hiermit bewerbe ich mich auf das von Ihnen in die Zeitung ausgeschiedene Volontariat im Bereich PR-Management. Ich will überhaupt nicht damit beginnen, ihren Verein als für mich subjektiv als ein ganz tolles Ding darzustellen. Ich lüge nicht gerne. Ich setze auch kein Lächeln auf, wenn mir nicht danach ist. Das können Sie ja schon auf dem beigefügten Bild von mir erkennen. Sie bieten eine Tätigkeit an, in deren Umrisskonturen sich mein charakterliches und kompetenzmäßiges Profil passgenau einfügt. Wissen Sie, es flutscht da richtig rein. Was muss man denn bei Ihnen machen?
Ich bin ein unglücklicher und unproduktiver Mensch. Ich habe Angst vor Handlung. Manchmal habe ich auch vor mir selbst Angst. Ich bin selbstreflexiv bis zum Grad der Autodestruktion, so dass von meinem Wille zur Welt nichts mehr übrig geblieben ist, als die Hoffnung, dass mich irgendein Realist zur realen Behandlung realer Sachverhalte befugt. Was ist das eigentlich, Welt? Benutzen Sie mich, ich bin in einem solchen Grade desorientiert, dass mir nichts mehr bleibt, als das Befolgen von Anweisungen. Ich habe keine Persönlichkeit mehr. Ich war einstmals ein kreativer und künstlerischer Mensch. Ich war ein glänzender Gott. Nun liegt mein Genie in Asche und Schutt. Meine Flügel liegen abgeschlagen und zertrampelt im Gebüsch. Neben Zigarettenkippen. Ich kann gut mit Menschen umgehen: In zwischenmenschlichen Situationen erweise ich mich als gänzlich unbrauchbar. Ich weiß einfach nicht, was die alle von mir wollen. Lassen Sie sich davon aber nicht verwirren. Das Problem bin ich. Und ich bin für ihre Stelle echt ziemlich geeignet. Ich war schon oft in irgendwelchen blöden Büros, und immer beliebt. Bezahlen Sie gut? Ich beherrsche beide existenten Arbeitsmodi: Strukturiertes und unstruktuiertes Arbeiten. Von ersterem weiß ich nicht, was es ist. Aber: Ich bin in jeder Hinsicht wißbegierig und lernbereit. Meine Neugier kennt keine Grenzen: Oh du meine heilige Neugier, hast du denn gar keine Schranken, bist du das einzige, was ewig ist?
Dass sie mich benutzen sollen - Sie erinnern sich, hab' ich oben extra hingeschrieben - schließt aber nicht aus, dass ich nicht selbstständig arbeiten könnte. Ich kann alles. Ich bin ein Draufgänger. Vielleicht können Sie mich wieder erheben. Ich bin nun mehr eine leere Hülle. Aber ist das nicht jeder, ohne es sich einzugestehen? Füllen Sie mich mit Befehlen, ich brauche eine Struktur. Ich brauche Abhängigkeiten und Zwänge. Sie können sich ja bereits lustvoll ausmalen, wie weit sie einen derart von sich selbst entmündigten Menschen missbrauchen können.
Ich will den Erfolg! Erfolg! Erfolg! Ich bin total engagiert! PR-Management interessiert mich zwar keineswegs, aber mein Bruder hat gesagt, wenn ich noch zwei weitere Jahre an der Maschine nur Bleche biege, wertet das mein Studium total ab. Aber ich verspreche Ihnen, wenn PR-Management nicht schwer ist, dann kann ich es. (Sollte ich das wirklich reinschreiben? Klingt irgendwie eingebildet)
Da ich trotz meiner psychischen Probleme meine Bewegungen kontrollieren kann, könnte ich für sie stumpfsinnigen Unsinn, sowie überflüssige Scheinaufgaben erfüllen. Ich weiß zum Beispiel auch wie Kaffee geht. In derlei Dingen bin ich ein erfahrener Mann. Ich habe schon viel auf dem Buckel. Meine Tätigkeiten in verschiedensten Betrieben und Institutionen umfassten das Vierteln von Artischocken, Socken hochkant in ein Regal stellen, sowie die Eingemeindung der umliegenden Ortschaften. Ich habe mich auch in der Teamarbeit als völlig untauglich erwiesen und herausgestrichen. Als Hirte war ich Vorgesetzter von fünfzig Stück Vieh, konnte mich aber nur selten durchsetzen. In kürzester Zeit war ich ein Spielball der Herde. (Bem.: in der Endfassung bildlicher formulieren)
Ich bin sozial nicht engagiert und vertrete mehrere Interessengruppen vor dem Universum. So kann ich damit aufwarten, Kanzler des Vereins suizidgefährdeter Demenzkranker zu sein, sowie Plus-Mitglied des Vereins zum Kartographieren von Totholzbeständen und Mitglied der Gemeinschaft trauriger Säugetiere. Außerdem bewerbe ich mich momentan um eine Stelle im PR-Management.
Es würde mich kaum interessieren, wenn Sie mich zu einem Bewerbungsgespräch einladen würden. Wir könnten ein wenig darüber diskutieren, wieso man sich immer für das interessieren muss, was man macht. Ich würde Sie argumentativ zu Boden strecken, Sie Winzling. Sie Feigling, Sie. Auch wenn Sie mich nicht nehmen würden, ich wäre trotzdem der bei weitem sympathischste Mensch, den Sie jemals kennengelenrt hätten. Sie wären von meinem melancholischen Wesen berührt. Von meiner Zartheit. Von der Milde und warmen Güte, die ich ausstrahle. Sie würden erkennen, was für eine aufgesetzte Schnabeltasse Sie eigentlich sind, und dass Sie ein kleines Engelchen besucht hat. Helfen Sie mir.
Im Anhang finden Sie meine Katze. Ich schlage Ihnen vor, sie als Perücke zu verwenden, damit ihre Frau Sie verlässt. Vorausgesetzt Sie sind ein Mann. Und verheiratet. Tun Sie nicht so als könnte ich das wissen. Bitte laden Sie mich ein.

Mit freundlichen Grüßen, Aschaffenburg, den 03.08.,

Name steht auf dem Umschlag, brauche ich ja wohl wirklich nicht mehr hier hinschreiben.