Zeitschrift für Sprungkraft und Leuchtstoff

Das grüne Licht der Freude strahlt mir auf die Schulter

nihilist structure #1

Ich habe letzte Woche morgens festgestellt, dass die Anzahl der Planeten in unserem Sonnensystem die Anzahl meiner Köpfe deutlich übersteigt. Das war an einem Montag. Bis in den Abend hinein blieben beide Werte konstant. Ich wollte aber den genauen Faktor feststellen. Ich startete demnach eine Versuchsreihe. Es ergab sich für die darauffolgende Woche folgendes Bild.

.........Planeten.......Köpfe....
Mo........8.................1.........
Mi.........8.................1........
Di.........8..................1......
Do........8..................1.....
A..........8..................1...... (ich kürze Freitag immer mit A ab)
Sa.........8..................1......
So........8..................1......

Bildet man P / K ergibt sich jeweils sieben. Der Wert erscheint mit Ausnahme einiger kleinerer Schwankungen zumindest relativ stabil. Eine Woche ist natürlich ein sehr kurzer Erhebungszeitraum.
Ich habe also im Mittel neun Mal so viele (oder weniger je nachdem, ob von mir oder den Planeten aus betrachtet) Köpfe als Planeten im Sonnensystem. Das Interessante: Das kann sich durch einen Arbeits- oder Verkehrsunfall oder beispielsweise durch eine Guillotinierung in einer hessischen Kleinstadt niemals ändern. In diesem Fall ergäbe sich nämlich eine Division durch Null. Qed.

24 Runden á 12 Minuten

Ich weiß auch nicht, ey. Aber irgendwie. Naja. Ich find's halt nich' gut, wenn Boxkämpfer vor dem Kampf ihren Körper mit Öl einschmieren. Wenn die das im Ring machen, find' ich's auch nich gut. Also gar nich', so. Weiß auch nich'. Kein Verständnis ürgendwie für. Da spiegelt sich dann der Hallendeckenscheinwerfer drin und so, na und dann wird der Gegner da total geblendet, also so voll halt, und kann dann nur noch auf das Licht einprügeln und das finde ich nicht gut irgendwie. Licht ist doch etwas Heiliges, find ich schon so, 'was Heiliges halt, klar, ich mein is' jetzt subjektiv und so, aber kann ja auch nix dafür, wenn ich das so empfünde. Und 'was Heiligem darf man nicht mit Gewalt ankommen. Voll dreist wär das. Und dreist is jetzt ja auch nich so super, find' ich. Und außerdem: das arme Licht. Das arme, arme Licht. Scheint jetzt den ganzen Tach friedlich und freut sich auf die Gewalt im Ring und dann siehts ja selber nich ma was, und darf nur so voll doof 'rum reflektieren. Egal. Aber also jemandem, der auf etwas Heiliges einschlägt, weiß ich nicht was ich da sagen soll. Muss ich? Naja. Auf jeden Fall da bleibt mir irgendwie voll die Spucke weg und so. Der Kerl braucht gar nicht mehr daran zu denken, selbst einen Antrag im Vatikan einzureichen, bei der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, bei der Congegratio de Causis Sanctorum. Würd ich ma gern en Praktikum da machen. Is bestimmt total interessant und so. Die zahlen halt bestimmt wenigstens was. Und der sich selbst eingeölt, der darf da auch nich' mehr hin. Der hat das ja alles provoziert. Außerdem, fällt mir grad ein: Evander Holyfield. Warum heißt der denn so? Na, klingelts? Bestimmt nicht, weil der sich seinen Körper einölt. So was macht der nicht. Sein Nickname sagt es ja schon: The Real Deal, der wirkliche Kauf halt. Deal kann aber noch was anderes heißen glaub' ich. Auf jeden Fall. Egal. Wie an Weihnachten jetzt so. Wo man halt noch an was glauben kann. Wo Jesus und Maria mit dem Kind in der Grippe stehen und man selber liegt ausgezählt am Boden, weil es einem nich so gut geht (Stichwort Langeweile) und dann kommt des Christuskind und lacht einem total offen und direkt ins Gesicht und man selber denkt sich. Da is' noch Vertrauen. Und: wow. So kenne ich mich ja gar nicht. Das mich mal jemand anlacht. Jetzt stehe ich erst mal auf und schau mir am Weihnachtsabend Boxen auf DSF an. Mist. Kommt nur die Muhammed Ali-Story. Die kenn' ich schon. Dann halt am ersten Weihnachtsfeiertag. Und bitte: Bitte, bitte, bitte: Ohne Öl. Wär' voll lieb!!

PS:
1. Gibt es langweiligere Tage im Jahr, als 12/25 und 12/26?
2. Frohe Weihnachten!!! - Die Redaktion.

Totenkopftorte aus dem Waldbodenbackofen


Manchmal geht es dem Heiner wie der Clara.

Clara hatte genug von ihrem langweiligen Leben, dieser Einöde, den lauwarmen und gemäßigten Farben, dem ganzen eingefallenen Nichts, was war ihr Zimmer, es war ein Käfig und diese Stadt, sie war, was war sie, ein Gefängnisplanet. Mit einigen wenigen Monden, die man nicht sehen konnte, weil draußen Bücher vor der Scheibe waren und frühe Stummfilme und meisterhafte Kupferstiche. Sie wollte sich losreißen, sie wollte eine Tigerin sein, und das Leben packen und es zwischen den Zähnen zerreißen und es schmecken und schließlich auf den Boden schleudern. Und aus den Wunden dieses geschundenen Leibes als Orchidee in die Solarsysteme sprießen, ihren Blumenkörper elegant wie eine Melodie zum Himmel heben. Sternenbilder furzen. Raumschiffe ablecken. Und im Anschluss daran zu einem der Monde springen, leichtfüßig, irgendeinem Dozenten seine blöde Publikation in die Magengrube kicken, zielsicher, über alles erhaben, und schließlich athletisch um etwas anderes kreisen als um sich selbst. Aber das wusste sie nicht genau. Sie war sich im Unklaren. Denn sie lebte in den Tag, sie lebte so sehr in den Tag, dass sich ihr Magen davon ausgepumpt und ausgeraubt anfühlte. Müde war sie immer. Du brauchst einen Ausgleich, sagte ihre Mutter, und Clara, sie dachte sich, es muss doch Philosophien geben, mit denen es theoretisch im Möglichen ist, älter als dreissig zu werden, ohne dass zuvor die eigenen Wünsche untereinander im Analsex alleine scheinbefriedigt sich haben. Nein sie lebte den Tag nicht, der Tag lebte sie, er war ihr enges Außenskelett, ihr Anti-Organisations-Korsett, was mal überhaupt nicht ging, nicht in dieser Stadt, in der sich Einatmen wie Ausatmen anfühlte, und Ausatmen - fühlte sich an wie immer. Dieses kleine miese Studium, diese kleine miserable Teil. Damn it. Man hatte nichts anderes mehr im Kopf. Aber jetzt wollte sie Tempo machen. Auf die Tube drücken. Es krachen lassen. Den Nitro zünden. Sie würde ihr Studium durchziehen, aber so was von, und jetzt wäre endlich Schluss mit der unproduktiven Pendelei. Man war so unterfordert, dass man plötzlich überfordert war. Die kreative Clara. Was hatte sie vor. Bald schon. Bald schon würde sie ein Atelier eröffnen, erst in Wiesbaden, dann in Hamburg, Berlin und New York, sie würde ausstellen, der Welt ihr genialisches Erbe offenbaren, würde im Kunstgewerbe und Kunsthandel zur Großfigur avancieren und auf allen Hochzeiten tanzen mit Schuhen für 7500 Euro und Schnürsenkeln aus Glück. Und einer Galerie nach der andern würde sie den Kopf verdrehen und die Kunstlandschaft dominieren und unterwerfen, sie war so kacke begabt, Kyrie eleison, sie war so fantastisch begabt, aber mit diesem Studium hier, da kriegte man es ja noch maximal hin Karotten in die rote Soße zu den Spaghetti zu schneiden und zu studieren. Man war gefesselt und nicht mächtig. Da hatte man keine Lust plötzlich sich die Zähne zu putzen, und das obwohl man so gut erzogen war, eine Verrohung überkam einen da in diesem akademischen Maulkorb für die Fantasie, man wusste nicht was man machte, man fuchtelte so dummblind im Gestrüpp herum, wie Aristoteles mit seinen Argumenten. Jeder noch so kleinliche Hilfsjob hatte sie mit mehr Stolz und Lebensgefühl erfüllt als dieser sterile, methodisch antiquierte Quatsch namens Studium. Morgen schon würde sie ihr Studium abbrechen. Ab morgen würde sie in eine Gegend ziehen, in der es endlich gefährlich wäre. Wo mit Schmetterlingen gefüllte Kakteen auf sie warteten, um sie aus dem Vakuumballon zu befreien. Yeah, Schnauze jetzt.

Der stille Gesellschafter

Da ich mich in letzter Zeit kaum überwinden kann, hier etwas hin zu schreiben - aus verschiedenen Gründen - zwei seien genannt: erstens ich muss Topfscharniere mit Zwillingsanschlag in Schicht und Maschine herstellen und das befriedigt mich geistig derart, dass ich mich hier nicht mehr entlasten muss, zweitens: ich habe bis nächsten Karfunkel eine Bibliographierübung in Abwasserlogisitik abzugeben, und ich weiß nicht was ich davon zu halten habe (brauche ich den Schein überhaupt oder kann mich mir Bergwerkswesen anrechnen lassen?) ... liefere ich jetzt in dieser Stunde eine kleine Spaßerei. Weil ich die totale Produktivkraft bin. Denn: Es gibt eine gute Nachricht: Große Teile bundesdeutscher Gesetzestexte sind im Internet einsichtig. Das bedeutet unter anderem: Auch das Handelsgesetzbuch. Ich möchte schreien vor Entzücken. Ich konnte es nicht vermeiden, mir den Text Wort für Wort zu Gemüte zu führen. Lyrik und Feuer, wie ich es sonst nur dem frühen Konsalik zugetraut hätte. Ich möchte nichts weiter sagen als: auch heute wird es hier keinen Blogeintrag geben, sondern nur eine kleine Skizze. Eine winzige Improvisation über das HGB. Angeregt wurde ich von juristischen Ausdrücken wie "Stiller Gesellschafter" - das kann ich manchmal, denke ich, wirklich im Spiegel sehen. Bitte schön:

Ich habe gegen den §239 Abs. 1 des HGB verstoßen, weil ich meine Bücher und Bilanzen auf mittellateinisch geführt habe. Man hat mir eine Frist gesetzt, zu der ich die entsprechenden Dokumente in eine lebende Sprache zu übertragen habe. Das ist für mich schon die zweite Umstellung innerhalb kürzester Zeit. Denn ich habe noch vor einem Jahr zumindest die Aktivposten-Konten mit koptischen Ziffern versehen und mit altkirchenslavischen Titeln bezeichnet. Mit der finnischen Prokuristen, die ich aber dann im Laufe des Geschäftsjahres einstellte, konnte ich mich auf die mittellateinische Sprache einigen. Da ihr auch der altsumerische Kalender – den ich bisher für die im Bilanzanhang im Zusammenhang der Anwendung des Umsatzkostenverfahrens nach §285 Abs. 8a pflichtgemäße Aufführung des Personalaufwands verwendete - nicht geläufig war, einigten wir uns auf den sowjetischen Revolutionskalender. Außerdem vereinbarten wir uns - was das Schriftbild der Auflistungen von Aufwandsentschädigungen und Versicherungsentgelten belangt – auf die Augsburger Fraktura sowie das phönizische Alphabet. Alles im Rahmen von Recht und Ordnung. Da ich aber darüber hinaus den Jahresabschluss in Tschechisch abgefasst und in griechischen Drachmen (zum Wechselkurs zur Zeit ihrer Einführung 1831) bilanziert habe, habe ich ordentlich gegen den §244 des Handelsgesetzbuches verstoßen. Auch hier muss ich mich auf Anordnung der kurpfälzischen Justizkammern bis zu Bartholomäi gebessert haben. Wenigstens habe ich seit der Gründung meiner kleinen genossenschaftlich geführten Korporation stets den Konzernlagebericht geordnet aufbewahrt, so dass man mir im Sinne des §257 des Handelsgesetzbuches nichts anlasten kann.

Gut vielleicht war das nicht genug und es ist nicht klar, was ich meine. Man könnte halt auch endlos damit weitermachen, aber da ich in letzter Zeit nicht begreife was Kunst ist, höre ich damit auf.

Bildanalyse erotischer Fotografie

Interpretation erotischer Kunst kann wie die Interpretation überhaupt in Rekurs auf verschiedenes methodisches Inventar operativ vollzogen werden. Der methodische Bezugsrahmen determiniert hierbei die Art der Analyse ebenso wie die im Erwartungsspektrum präfigurierten Resultate und Quasiresultate des Erschließungsprozesses. Wir verstehen Interpretation im Rahmen der Sprechakttheorie als Handlung. Handlungen können strukturell sprachlicher sowie nichtsprachlicher Art sein, genügen aber laut common sense dem Fundamentalschema von Handlung. Zunächst gibt es einen Träger der Handlung, sowie die Handlung selbst, die sich notwendigermaßen vom Handelnden selbst unterscheidet. Die Identität des Handelnden mit dem Träger der Handlung ermöglicht erst die Bestimmung dessen was im Unterschied zum Ausführenden der Handlung als Handlung selbst verstanden werden kann. Weiter ist die Handlung als Handlung in sich je in das gesellschaftliche Gesamtsystem von Handlung eingebunden und unterliegt den gegebenen historisch herausgebildeten Kontexten und Bestimmungen der jeweiligen Handlungsschemata, die bei einer konkreten Handlung aktualisiert werden. Dabei vollzieht sich die Aktualisation von Handlungsschemata innerhalb eines soziologisch relevanten Symbolvorrats, dessen Immanenz im Handlungskontext den Handelnden als Symbol von Handlung in der Weise ausschließt, als dass eine Aufstockung des etwaig vorhandenen Symbolreservoirs die Verfügbarkeit des Individuums - vor allen Dingen in der Interpretation - als Matrix der ausführbaren Handlungen überhaupt erst erzeugt. Und zwar konstitutiv erzeugt.
Die Gleichzeitigkeit der vorhandenen Existenz des interpretativ Agierenden mit dem Prozess der Interpretation selbst sowie der Interpretationssubstanz ist Vorraussetzung einerseits, wie andererseits Interpretation als bestimmter Handlungstyp in ihrem Zeitbezug genetisch begründet liegt. Diese Auflösung in einer Simultanstruktur artikuliert sich im Aspekt des Raumes in der Gefahr, die der Interpretierende stets ausgeliefert ist, nämlich die Gleichzeitigkeit ins Räumliche übergreifen zu lassen, und als Interpretierender zum durch sich selbst Interpretierten deformiert zu werden, das heißt, sich selbst in das Bild zu projizieren, und damit als zeichenhafte Geste über der Zeichenkette des Interpretationsergebnisses als Einlagerung verschmutzend aufzutauchen.
Bei der Interpretation erotischer Kunst, beispielsweise Kunst mit Sexuelles implizierenden Bedeutungsebenen, unterliegt der theoretische, analysierende Zugang einigen hinzukommenden Einschränkungen und Freiheiten. Die psychoanalytische Macht-Architektur des Menschen ist hier der formale Grund für die faktische Unmöglichkeit hier interpretierendenfrei zu interpretieren. Die eigenen Sehnsüchte sind schon immer mit in das Bild gelegt, eine Interpretation erfolgt hier zwangsweise unter dem Edikt eines Sichselbstbegehrens. Um einen wesentliche Differenz zwischen sexuell variablenfreier, sexuell unkonnotierter Kunst und erotischer Kunst zu nennen, geschieht hier die Interpretation gewissermaßen nicht mehr freiwillig. Bei ersterem steht der Interpret nur unter dem Diktat des Bildes selbst, bei letzterem ist er der Diktatur des absolutistisch in Erscheinung tretenden Interpretationsprozess ausgeliefert. So wie sein unbewusstes Trieb- und Wunschpotenzial Herrschaft über das Ich ausübt, so proklamiert die Interpretation den Zustand einer Sklaverei der Interpretation über das interpretierende psychologische Individuum. Das Subjekt begehrt zu interpretieren. Es wird ein Lustopfer der Interpretation. Es begehrt, lustvoll zu interpretieren, zu interpenetrieren, es strebt nach dem befriedigenden Abschluss der Interpretation. Die Konsequenz ist, dass die Interpretation erotischer Kunst im Gegensatz herkömmlicher Interpretation immer ein Ergebnis hat. Sie ist in diesem Sinne schon immer vollständig gewesen.
Die Interpretation erotischer Kunst steht aber auch unter dem Vorzeichen besonderer Freiheiten. Es ist ihr gestattet in besonderer Weise subjektiv zu sein. Das vom Es über den Hergang der Interpretation verhängte Verbot objektiv und ichfrei zu sein, ermöglicht aber auch eine Form der Trotzreaktion hierauf, nämlich ungehemmt subjektiv und willkürlich sein zu können und so fast jedes beliebige Resultat zu legitimieren. Bei erotischer Kunst kann das interpretierende Subjekt ganz nach gusto den jeweiligen interpretatorischen Fetisch vulgär, ordinär und leidenschaftlich zur freien Entfaltung zu bringen. Dass die Interpretation von erotischer Fotografie noch einmal um einige Winkelminuten geiler ist als diejenige restlicher erotischer Kunst, liegt an der größeren Detailtreue und Auflösung gegenüber Gemälden. Mit der Konkretheit von Photografie korrespondiert die genuin konkrete Natur von Sexualität – selbst wenn sie ein imaginatives Virtualprodukt ist, so ist sie doch immer konkret. Freuen wir uns auf das Beispiel.
Eine wissenschaftlich wertvolle Interpretation muss ihren Ausgangspunkt immer bei einer exakten Beschreibung des zu Interpretierenden finden. Was ist also auf der Fotografie zu sehen und auf welche Art und Weise ist es dargestellt.
Wir sehen eine geriffelte Metalloberfläche. Die Oberfläche einer Spüle, links ist das Spülbecken zu sehen. Hier und da ein Tropfen Wasser. Mannigfacher Glanz. Wir sehen weiterhin eine braune Schale, wobei uns der Künstler hinsichtlich der Bestimmung, aus welchem Holz sie gefertigt ist, im Dunklen lässt. Er betrügt uns um die Wahrheit. In der braunen Schüssel befindet sich eine spiegelnde Flüssigkeit, möglicherweise Wasser. Auch das wissen wir nicht. Was wissen wir überhaupt? Aus dem Wasser streckt sich eine Karotte hervor, etwa die Hälfte des Wasser wird von deren Spiegelung beansprucht. Neben der Karotte sind zwei Weinbeerentrauben in die Flüssigkeit gelegt. Der Weinberg, auf dem diese wuchsen, ist an den Trauben jeweils als sich über den Schüsselrand streckende Äste noch behutsam angedeutet.
Worum handelt sich. Ist etwas in dem Bild zu erkennen? Ist etwas Besonderes dargestellt? Wahrscheinlich nicht. Eine Art Obstkorb ist zu sehen, ein Stilleben. In modernen Edelstahl-Ambiente. Oder ist da etwa doch etwas? Nun. Die Parallelen zum männlichen Geschlechtsteil sind äußerst zart gehalten. Wir denken aber nicht, dass wir uns zu weit über den Tellerrand lehnen, wenn wir darin die Allegorie auf das männliche Geschlecht dargestellt zu sehen glauben. Der Phallus selbst wird von der Karotte repräsentiert, die Weintrauben bilden die Testikel. Links ist das weibliche Becken durch das Spülbecken repräsentiert. Es fragt sich, ob es sich um eine Komposition handelt oder ob das Bild zufällig entstanden ist. Da die Ähnlichkeiten zum männlichen Geschlechtsteil eher zufällig als beabsichtigt erscheinen, befürworten wir letzteres. Es ist wohl kaum keine absichtliche Komposition.
Optisch ist das Bild äußerst effektvoll. Es scheint die Aufnahme einer in sich ruhenden Bewegung zu sein. Der Witz besteht darin, dass die Linien eine optische Täuschung herufrufen. In einer Art Op-Art Technik scheint sich das Bild ständig zu bewegen. Es ist ein Hin und Her zu beobachten. Die Linien der Spüle flimmern. Das Auge wird angestrengt. Mit dem Hin und Her des Flimmerns ist an den Archetyp der Kopulationsgeste erinnert: das Hin und Her. Darüber hinaus lässt sich das Ganze auch als Wellenbewegung lesen. Während das Wasser in der Holzschale selbst still liegt, überschlägt sich außerhalb des "Holzbootes" beziehungsweise der braunen Holzschaleninsel Wellenkamm um Wellenkamm. Das Meer tobt. Das männliche Geschlecht liegt jedoch still. Die gerillte Oberfläche des Metalls ist ein Negativ zur Performation des Greifens. Sie versinnbildlicht auf einsichtige Weise die Körperberührung. Stille und Bewegung bilden einen für die Wirkung beim Rezipienten entscheidenden Kontrast. Es entsteht eine Spannung von hochkantig knistender, pulsierender Erotik.
Der Künstler hat aber nicht nur auf diese Art mit Kontrasten gearbeitet, mit der Gegenüberstellung von männlich und weiblich. Von den vielen vorhandenen Intertextualitäten, die sich in diesem Bild finden, soll noch eine Erwähnung finden.
Wenn man das Bild als Landkarte liest, dann zeigt die Karotte nach Osten. Mittelalterliche Landkarten waren geostet, das heißt Osten war oben auf der Karte. Die Geburtsstätte Jesu war eben im Osten, und dieser das Zentrum des christlichen Glaubens, der auf mittelalterlichen Karten also oben, in Richtung Himmel sozusagen verortet war. Auf einer mittelalterlichen Landkarte würde die Karotte also nach oben zeigen, man hätte das Symbol eines erigierten Phallus vor sich. Hier ist dem nicht so. Was heißt das nun für die Vorstellung von Christentum, die auf diesem Bild entwickelt wird. Spielt es auf die biblische Weisung „Seid fruchtbar und vermehret euch“ an, mit dem Hinweis, dass in neueren heidnischen Tagen biblische Gebote in gefährlicher Weise nicht mehr befolgt werden, und dass sich das Meeresbecken in der linken Bildhälfte bald mit Sintflutwasser füllen wird, das weibliche Becken sich also mit Fruchtwasser, auf dem das Holzboot mit der Karotte als Fruchtbarkeitssymbol getragen werden wird. Einem ungewissen Schicksal entgegen? Eine Versinnbildlichung des heiligen Sakraments der Ehe also? Die Karotte als Priesterstab, an dessen Wurzel, sich zwei Rosenkranzketten zusammengerollt haben? Der Sieg des weiblichen Geschlechts? Die Rillen des Spülbeckens als männliche Rippen, beflutet von weiblichem Fruchtwasser? Die Trennung des männlichen Geschlechtsorgans also vom Restkörper durch den Sintflutregen als Symbol des Zölibats des Priesteramts? Spielt Religion hier vielleicht doch keine Rolle?
Diese Fragen können hier genau so wenig beantwortet werden, wie ebenso nicht aufgezeigt werden kann, wie vielschichtig dieses Bild ist. Wieso zum Beispiel wurde hier eine Karotte verwendet? Weil die Karotte eben die Leibspeise des Hasen ist, von dem wir wissen, was diesem nachgesagt wird? In Anspielung auf Künstler, die Zarenkronen in Hasenform gießen?
Ein einziger Hinweis soll noch genügen. Wieviele Rillen können wir auf der Spüle sehen. Wieviele Erhebungen. Wenn man die untere linke Ecke noch als angedeutete Rille sehen will, dann zählt man 23 Stück. Zählen wir sie nicht mit, dann ist man bei 22. Wieviele Erhebungen sehen wir aber unverhüllt, also weder nur ausschnitthaft gezeigt noch durch die Schale verdeckt? Richtig. Es sind sechs. Es sind die überhalb der Schüssel, ausgenommen der obersten. Schreibt man jetzt sechs ein wenig anders erhält man: Sex. Eine relativ dünne Feststellung, dennoch: Ist es nicht vollmundig unheimlich, aus wie vielen Dimensionen es aus diesem Bild der pure Sex auf den Betrachter regnet?
Kommen wir abschließend noch auf einen oben in den einleitenden Worten fomulierten Umstand. Dort sagten wir, dass bei erotischer Kunst, die Interpretation die eigentlich naturgemäß dem Bild selbst zugefallene Rolle der Diktatur über das interpretierende Subjekt übernimmt. Der entscheidene Punkt, und darüber hinaus der tiefe Wert des vorgestellten Werkes, liegt darin, dass wir eigentlich einem naturlyrischen Stilleben ohne geschlechtliche Konnotation als Betrachter gegenübergestellt werden. Der Interpretierende oszilliert bei der Betrachtung unter sich wechselseitig ablösenden Diktaturen. Einmal wird er vom Bild selbst beherrscht, es zieht ihn auf erotische Weise an, während er im nächsten Moment von der Interpretation beherrscht und von ihr durchgeistigt wird. Damit oszilliert er zwar auch zwischen Freiwilligkeit und Zwang, vielmehr aber erlangen das Bild - das in mehrere Einzelerregungen zu zerfallen scheint - gleichsam unter diesem Wechselstrom eine unglaubliche Intensität. Diese alternierende Situation wird im Bild von der Rillenstruktur als Bildelementes selbst integriert, und von der Rillenstruktur der Spüle aufgegriffen. Die Bilder sind in ihrer Dimensionalität von gerade zu brutaler und ichvernichtender Kraft. Die qualitative psychoempirische Forschung konnte in einer Längsstudie mehrfach geistige Orgasmen bei den Rezipienten nachweisen. Durch die ultraschnelle Zirkulation beider Diktaturebenen und Machtformationen wird der Betrachter paralysiert und von sich selbst entfernt im ichlosen Rauschen holistischer Verzückung in die Aufblühung gebracht. Welche Prozesse hier stattfinden, kann genauer auf dem hier nur äußerst beschränkten Platz nicht ausgeführt werden. Resultate liegen eh noch nich vor, ey. Die gegenwärtige Forschung versucht aber derzeit in einem verzweifelten Kampf gegen die menschlichen Erkenntnisgrenzen genaueres zu ermitteln.

marketing in a loop oder Betreff: Ihr Bewerbungsschreiben

Na mein Kleiner?

Deine Bewerbung fanden wir bärenstark. Sie ist wirklich nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut. Du legst dich ja wirklich ins Zeug, um uns zu überzeugen.
Aber Spaß beiseite - obwohl wir gestehen müssen, dass es eine Herausforderung ist, ein solches Schreiben im Stil nicht zu imitieren - auch wenn es nicht gelingen würde vermutlich -, wollen wir Ihnen ernsthaft antworten. Wir als der größte Expoteur von Altglas an ingesamt vierzehn außereuropäischen Binnenhäfen ... Es ist wirklich schwer. Zuerst: Es ist uns eine Ehre, dass sie Interesse für unseren Piratensender (mit Kolonialwarenladen mit Seeblick im Dachgeschoss) zeigen. Wir bekommen täglich so viel langweilige Post der kreativen Elite und subito erhalten wir aus heiterem Himmel ein solches Juwel gelenkter Willkür und zentralistisch administrierter Diplomatenrhetorik. Sie waren Erheiterung. Sie denken erfrischend unwirtschaftlich. Lassen Sie uns raten. Sie können Sich an ihre Kindheit kaum erinnern. Das ist einer der Hauptgründe, warum sie die Vermutung anstellen, sie seien so eine Art Autist als Kind gewesen. Sie entstammen einer Arbeiterfamilie, oder vielleicht ist ihr Vater Büromaschinentechnicker gewesen, ihr Mutter hat als Bedienung dort gearbeitet, wo ihr Vater Schlager am Keyboard spielte und so weiter: aber sie hatten zuviel in der Birne. Dann haben Sie als Sechsjähriger begonnen am C64 zu programmieren. Die Befehlszeile load "xyz", 8, 15 hat sich auf ewig in ihr Hirn gebrannt, genauso wie syntax error. Sie sind in einem naturumgebenen Umfeld aufgewachsen, ihr Onkel, der zwei Bücher von Nietzsche besaß, hat- gegen den Willen ihres Vaters - darauf gepocht, sie aufs Gymnasium zu schicken. Sie waren der erste deutsche Fall von Leistungskurs Akkordeon und Schach. Ihr Abitur haben sie mit 3,0 gemacht und anschließend dachten Sie, sie hätten ihren Pflichtzoll entrichtet, das wäre es gewesen mit der Realität. Aber oh nein, da haben Sie sich getäuscht. Sie haben wild in der Gegend herum studiert, Leute kennen gelernt, die sich an Stelle ihre Namens mit "mit Frischkäse gefüllte Panzerfaust" am Telefon gemeldet haben und mit denen man barfuß über die Schnellstraße in der Peripherie Freiburgs laufen konnte. Sie hatten hundert Euro im Monat, haben aber dafür 70 Stunden im Monat im Getränkemarkt gearbeitet, um die Langzeitgebühren hinzubekommen, am Fließband haben Sie Pfandflaschen sortiert. Ja wir wissen das. Warum. Verdammt weil wir ein PR-Unternehmen sind, junger Mann, das ist Wirklichkeit. Es geht hier um inhaltliche Dinge. Schauen Sie sich doch zum Beispiel nur das Design ihres Blogs an, wenn man überhaupt von einem Design sprechen kann. Dass solche Dinge wichtig sind, das müssen sie erst noch lernen. Hier heißt es: "So hier verschieben Sie das Bild bitte in die linke untere Ecke, den Satz auf der Seite dann zweispaltig, so und für das nächste haben wir dann von diesem Kölner da, Sie wissen schon, diese Schriftart gekauft. Sie sehen wir sind da ihrem Vorschlag nachgegangen." Das würde Sie doch langweilen, oder? Ja genau, großer fliegender Achill, Sie würden in Sitzungen für bestimmte Schriftarten argumentieren müssen, und es geht um Geld. Ach Realität, richtig, das wollen Sie ja von uns. Sie denken ja, dass es nichts anderes mehr gibt.
Aber das ist alles nicht der Punkt. Warum argumentieren wir so. Nicht etwa weil wir ihr Bewerbungsschreiben für realitätsfern halten. Es ist bodenständig wie Sand am Meer. Allerdings. Wir haben jedoch eben Kontakte. Und unsere Chefredakteurin war zufällig mit Ihrem Bewerbungshelfer im Urlaub. Das wissen Sie nicht? Das kann man sogar im Internet nachlesen! Wobei Sie glücklicherweise aber nicht erwähnt werden, wie man dazu sagen muss. Was Sie genau gemacht haben, wissen wir nicht. Aber wir mussten erfahren, dass sie bereits drastischere Mittel zum Einsatz gebracht haben, als nur eine kuriose Sprache. Wir hätten Sie eigentlich genommen. Mindestens eingeladen. Auf ihrem Monitor wäre eine Pflanze ihrer Wahl gestanden, sie wäre nach wenigen Wochen wegen Verwahrlosung eingegangen. Aber dafür hätten Sie eine Sekretärin gehabt. Sie hätten in das gelbe Zimmer mit der grünen Tapete gedurft, wo es nicht schlimm ist, wenn da Menschen drin sitzen, die sich nicht rasieren und nicht wissen wer gerade Kultusminister in Bayern ist. Sie wären nach zwei Jahren der Chef der Kreativabteilung geworden. Aber selbst so jemand bewirbt sich ernsthaft.
Zum Punkt,während dieses Urlaubs, hat ihr Bewerbunghelfer - glauben Sie nicht wir hätten da von vorneherein oder prinzipiell Vorurteile - Bedenken geäußert. Die Sache sei ernst mit Ihnen. Sie würden mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder straffällig werden, wenn sie feste Verhältnisse um sich hätten. Sie halten Wirklichkeit nicht aus, sie nennen das Feststoffhaft. Stellen Sie sich vor, sie müssen, bei uns in der PR, Leute von Dingen überzeugen, die Ihnen vollkommen gleichgültig sind. Ach aber wahrscheinlich wissen Sie diese allgemeine Eigenschaft von Arbeit schon lange, dass man Dinge verfechten muss wie ein Eisenmann, obwohl man sich einen Pollenflug darum schert.
Ja. Wir überzeugen uns selbst nicht so ganz. Aber selbst ein Bewerbungsgespräch hielten wir für keine gute Idee. Mit Ihnen würden wir ohnehin nur eine halbe Stunde oder mehr lachen. Es würde zu nichts führen. Lassen Sie sich nicht entmutigen. Vielleicht klappts in der Kunst. Ach wir reden uns ja um Kopf und Kragen. Ach verdammt wir geben es zu, es is' halt das System.
Seien Sie uns nicht gram,

Mit freundlichen Grüßen,

Name steht auf dem Umschlag. Seufz.

Auf einem Lineal über die Ohnmacht balancieren

Da vorne an der hohlen Wand, da strecken sich die Stapelungen bis ans Deckenstahlgerüst. So viel Arbeit. So viel Zeit, die in Anspruch genommen werden muss. Die Staplerwege sind zugestellt, verbarrikadiert sind sie, die Blaumänner suchen nach Milimeterpapier, die Kommisioniererinnen rücken sich die Haarnadeln zurecht. Was eine Logistik ist erforderlich, dieses ganze Zeug aus dem Kopf zu schaffen. Von der Rampe hagelt es Stapler. Die Büros sind DIN A4-weiß vor losem Papier. Die Drucker schimpfen. Die Lastkraftwagen können nicht mehr. Jemand hat mal gemeint, was denn, die ganzen Hallen sind doch leer. Diesem Typen, der das gesagt hat, mit seiner beschissenen Symbolik, laut oder leise, das wissen nicht einmal die Dienstältesten mehr, dem müsste man das Reifenkreuz in der Kehle herumrühren, dem müsste man die Hubwagen aus den Händen reißen. Die Drossel müsste man ihm hinterher werfen. Vielleicht hat er ja recht. Und ich befinde mich doch in Feststoffhaft. Und ich ziehe ihm trotzdem das Schlüsselbund von der Schuhsohle ab und schicke ihn die Lohnsteuerkarten falzen, diesen Typen, am Getränkeautomat oder am Wasserspender will ich ihn in der nächsten halben Stunde sehen. Und natürlich, soll er sich umsehen, alles hier, alles ist voller Pappkartons, und Kunststoffschalen, Messingeimer, Trägerriemen. Der Seilwinden sind zu lange aufgesponnen worden. Welche Logistik ist erforderlich, alleine diesen Menschen mit dem Firmenfahrrad zur Stechuhr zu schleppen. Ausladen und wieder einladen, wie das geht, das weiß hier keiner mehr, und dann hat da jemand gesagt, ja das Werksgelände quillt über, dicht machen sollte man den Verein, und wisst ihr auch warum, hat er gefragt, und dabei auf einem Kabelbinder gekaut, und Linen auf einem Messbecher zerkratzt, weil die ganzen Schachteln leer sind. Es ist nichts drin, hat er umhertrompetet, dieser Meier oder Schmidt. Welche Logistik ist notwendig, sich das alles vom Hals zu schaffen, die kleinen Gedanken und die großen. Vielleicht bin ich wirklich nur in Feststoffhaft und es macht mir etwas aus. Vielleicht kann ich nicht mehr aufrecht liegen in diesem Unternehmen, dessen Führung man mir aufgedrängt hat, dessen Lohnbuchhaltung Ahnungslosen und solchen, die es einmal werden wollen aufgetragen wurde, vom Amt, dass in irgendeiner Kiste, noch etwas Wertvolles gefunden hat, und dann die Schranken von Außen nach unten gelassen hat. Aus dem Staub hat es sich gemacht. Und jetzt soll ich den Aufseher machen in diesem Konsortium, bin ich ein Magnat, dass ich so etwas könnte. In die Luft sprengen sollte man dieses Geviert, nach der Größe ordnen und dann in den Schacht schieben, alle Türen ölen sollte man, und die Hände in die Taschen fallen lassen. Was soll man machen. Bei welchem Unternehmen soll ich anfragen. Welche Armada an Fernfahrern schafft es, diesen Kopf endlich leer zu räumen. Die Regale von den Wänden zu reißen, den Schutt auf die Ladeflächen zu stürzen und Schluss zu machen mit dem Zustand in diesem Betrieb. Alles geht zu Bruch in diesem Haufen nichtsnutzigen Tands. Welcher Fünfstufenplan schafft es, dass die Eimer aus den Notausgängen geschleppt werden, die Fracht verladen, die Adressen ermittelt. Dass die Hebebühnen freigeschafft werden, die Sachen verpackt und so weiter. Damit hier gemaßregelt gearbeitet werden kann, hier in Werk I und II, verdammte Axt.

Die Stars unter dem Chapiteau

Übersättigt und unwichtig. (fotografiert in Neukölln)

Wenn wir unseren Auftritt haben, dann sind wir die Größten. Wir könnten in einem Humuskubus am Waldrand vor einer zufälligen Handvoll Feldhasen und Würmern auf der selbstgezimmerten Bühne stehen und wären uns sicher, die Welt ist die unsere. Wir haben Jahrtausende dafür gearbeitet, jetzt so wichtig zu sein.

Bewerbungsvorlage PR

Sehr geehrte Damen und Herren,

alle meine Freunde finden mich nett. Aber das bedeutet mir nichts. Hiermit bewerbe ich mich auf das von Ihnen in die Zeitung ausgeschiedene Volontariat im Bereich PR-Management. Ich will überhaupt nicht damit beginnen, ihren Verein als für mich subjektiv als ein ganz tolles Ding darzustellen. Ich lüge nicht gerne. Ich setze auch kein Lächeln auf, wenn mir nicht danach ist. Das können Sie ja schon auf dem beigefügten Bild von mir erkennen. Sie bieten eine Tätigkeit an, in deren Umrisskonturen sich mein charakterliches und kompetenzmäßiges Profil passgenau einfügt. Wissen Sie, es flutscht da richtig rein. Was muss man denn bei Ihnen machen?
Ich bin ein unglücklicher und unproduktiver Mensch. Ich habe Angst vor Handlung. Manchmal habe ich auch vor mir selbst Angst. Ich bin selbstreflexiv bis zum Grad der Autodestruktion, so dass von meinem Wille zur Welt nichts mehr übrig geblieben ist, als die Hoffnung, dass mich irgendein Realist zur realen Behandlung realer Sachverhalte befugt. Was ist das eigentlich, Welt? Benutzen Sie mich, ich bin in einem solchen Grade desorientiert, dass mir nichts mehr bleibt, als das Befolgen von Anweisungen. Ich habe keine Persönlichkeit mehr. Ich war einstmals ein kreativer und künstlerischer Mensch. Ich war ein glänzender Gott. Nun liegt mein Genie in Asche und Schutt. Meine Flügel liegen abgeschlagen und zertrampelt im Gebüsch. Neben Zigarettenkippen. Ich kann gut mit Menschen umgehen: In zwischenmenschlichen Situationen erweise ich mich als gänzlich unbrauchbar. Ich weiß einfach nicht, was die alle von mir wollen. Lassen Sie sich davon aber nicht verwirren. Das Problem bin ich. Und ich bin für ihre Stelle echt ziemlich geeignet. Ich war schon oft in irgendwelchen blöden Büros, und immer beliebt. Bezahlen Sie gut? Ich beherrsche beide existenten Arbeitsmodi: Strukturiertes und unstruktuiertes Arbeiten. Von ersterem weiß ich nicht, was es ist. Aber: Ich bin in jeder Hinsicht wißbegierig und lernbereit. Meine Neugier kennt keine Grenzen: Oh du meine heilige Neugier, hast du denn gar keine Schranken, bist du das einzige, was ewig ist?
Dass sie mich benutzen sollen - Sie erinnern sich, hab' ich oben extra hingeschrieben - schließt aber nicht aus, dass ich nicht selbstständig arbeiten könnte. Ich kann alles. Ich bin ein Draufgänger. Vielleicht können Sie mich wieder erheben. Ich bin nun mehr eine leere Hülle. Aber ist das nicht jeder, ohne es sich einzugestehen? Füllen Sie mich mit Befehlen, ich brauche eine Struktur. Ich brauche Abhängigkeiten und Zwänge. Sie können sich ja bereits lustvoll ausmalen, wie weit sie einen derart von sich selbst entmündigten Menschen missbrauchen können.
Ich will den Erfolg! Erfolg! Erfolg! Ich bin total engagiert! PR-Management interessiert mich zwar keineswegs, aber mein Bruder hat gesagt, wenn ich noch zwei weitere Jahre an der Maschine nur Bleche biege, wertet das mein Studium total ab. Aber ich verspreche Ihnen, wenn PR-Management nicht schwer ist, dann kann ich es. (Sollte ich das wirklich reinschreiben? Klingt irgendwie eingebildet)
Da ich trotz meiner psychischen Probleme meine Bewegungen kontrollieren kann, könnte ich für sie stumpfsinnigen Unsinn, sowie überflüssige Scheinaufgaben erfüllen. Ich weiß zum Beispiel auch wie Kaffee geht. In derlei Dingen bin ich ein erfahrener Mann. Ich habe schon viel auf dem Buckel. Meine Tätigkeiten in verschiedensten Betrieben und Institutionen umfassten das Vierteln von Artischocken, Socken hochkant in ein Regal stellen, sowie die Eingemeindung der umliegenden Ortschaften. Ich habe mich auch in der Teamarbeit als völlig untauglich erwiesen und herausgestrichen. Als Hirte war ich Vorgesetzter von fünfzig Stück Vieh, konnte mich aber nur selten durchsetzen. In kürzester Zeit war ich ein Spielball der Herde. (Bem.: in der Endfassung bildlicher formulieren)
Ich bin sozial nicht engagiert und vertrete mehrere Interessengruppen vor dem Universum. So kann ich damit aufwarten, Kanzler des Vereins suizidgefährdeter Demenzkranker zu sein, sowie Plus-Mitglied des Vereins zum Kartographieren von Totholzbeständen und Mitglied der Gemeinschaft trauriger Säugetiere. Außerdem bewerbe ich mich momentan um eine Stelle im PR-Management.
Es würde mich kaum interessieren, wenn Sie mich zu einem Bewerbungsgespräch einladen würden. Wir könnten ein wenig darüber diskutieren, wieso man sich immer für das interessieren muss, was man macht. Ich würde Sie argumentativ zu Boden strecken, Sie Winzling. Sie Feigling, Sie. Auch wenn Sie mich nicht nehmen würden, ich wäre trotzdem der bei weitem sympathischste Mensch, den Sie jemals kennengelenrt hätten. Sie wären von meinem melancholischen Wesen berührt. Von meiner Zartheit. Von der Milde und warmen Güte, die ich ausstrahle. Sie würden erkennen, was für eine aufgesetzte Schnabeltasse Sie eigentlich sind, und dass Sie ein kleines Engelchen besucht hat. Helfen Sie mir.
Im Anhang finden Sie meine Katze. Ich schlage Ihnen vor, sie als Perücke zu verwenden, damit ihre Frau Sie verlässt. Vorausgesetzt Sie sind ein Mann. Und verheiratet. Tun Sie nicht so als könnte ich das wissen. Bitte laden Sie mich ein.

Mit freundlichen Grüßen, Aschaffenburg, den 03.08.,

Name steht auf dem Umschlag, brauche ich ja wohl wirklich nicht mehr hier hinschreiben.

Schule des logischen Denkens.

Folgender Text entsteht nicht durch Satz an Satz, nacheinander und nacheinander, sondern durch Einfügen von Sätzen an beliebigen Stellen. Nein, das ist nicht wahr. Möglicherweise stimmt es doch, unter Umständchen wird mir später beim Schreiben derart langweilig, dass ich an beliebige Stellen springen, und ein anderes Thema zum Ausdruck bringen werden. 'Zum Ausdruck bringen', also so ein lächerlicher Ausdruck. Warten wir es ab. Aber was soll das schon sein zum Ausdruck bringen. Eine Messerspitze Natron. Ich schreibe jeden Satz nach dem anderen hin. "Das machst du ja doch nicht!" Ich nenne das unsystematisches Arbeiten, und ich weiß nicht ob irgendetwas anderes sinnvoll ist, aber was weißt "du" schon davon, wenn ich mich selbst kurz mit "du" ansprechen darf. Der Text soll mein sprachliches Problem illustrieren. Wobei ich aber nicht weiß, warum ausgerechnet das Wort illustrieren den Punkt treffen sollte. Und wieso sollte er etwas sollen. Ich werde also mit einer Wahrscheinlichkeit von fünfzig Prozent mein sprachliches Problem illustrieren. Nehmen sie hierzu einfach Backhefe. 'Fünfzig Prozent': als Begriff ein völlig illusionäres Konstrukt. Das Wort Problem wurde eben benutzt. Haben Sie es bemerkt? (Wenn ich mich kurz mit 'Sie' ansprechen darf) Kein Wort würde den Punkt treffen. Vollkommen lächerlich zu glauben, es gebe einen Punkt. Der letzte Satz ist lächerlich. Nebenbei: 'lächerlich' gibt es nicht. Es ist eine Art Gefühl des Gefangenseins. Und da es wohl einen Zusammenhang zwischen Bewusstsein und Sprache gibt, ergibt sich - und selbstverständlich trifft es den Punkt nicht, das folgende Wort - ein Dilemma. Ach so, gibt es also diesen Zusammenhang, wer sagt das? Schon die üblichen Mittel des Satzbaus reichen nicht aus, um etwas auszudrücken. Vielleicht könnte man einen tiefen Satz beweisen, einen mathematischen Satz gewissermaßen, der zum Inhalt hätte, dass keine formale Sprache ein Äquivalent zu Bewusstseinsinhalten sein kann. Vielleicht ist die wesentliche Komponente, die zu einer Bewusstseinsform - das meine ich synonym zum Wort Bewusstseinszustand, das die Sache ganz genau so wenig trifft, aber ist eben mal etwas anderes -, dass sie neben einer Bedeutung, dem Gefühl oder was auch immer, die Worte passen natürlich nicht, das brauche ich nicht mehr zu erwähnen, ein gewisser Grad an Dasein hinzukommt. Was soll das bedeuten. 50g Mehl. Richtig, es bedeutet gar nichts, was soll es auch bedeuten. In kleine Scheibchen schneiden. Das Wort Bedeutung ist ein wunderbares Beispiel der Vorstruktuierung der Wirklichkeit durch unsere Sprache. Es gibt also angeblich ein semantisches Gebiet - diese Bezeichnung passt aber nicht - das mit dem Wort Bedeutung abgegrenzt und bezeichnet wird. Mir ist langweilig. Wo sind meine Spielsachen? Stellen wir uns einmal einen Grundraum vor, in dem alle denkbaren und möglichen semantischen Gebiete zusammengefasst sind. Die saure Sahne aufschäumen. Die folgenden Ausführungen zu diesem Gebiet treffen selbstverständlich nicht zu, aber nehmen wir einmal an, dieses Gebiet hätte einen Wirklichkeitsgrad, der sich von der wahrnehmbaren Wirklichkeit unterscheidet, und wäre vorsprachlich. Etwas ähnliches wie ein potentiell ausdrückbares Bewusstsein, das aber nicht als eigenschaftsfreie Entität gedacht ist, sondern es wären Inhalte darin aufgelöst, ganze Menschenleben und so weiter. In Honig dünsten. Aber ignorieren Sie das mit den Menschenleben, ich musste wieder einmal meinem Hang nachgehen, Theorien zu verschmutzen. Übrigens kann es sein, dass diese Gedankengänge, die hier vorgestellt werden, plötzlich abbrechen und nicht wieder aufgegriffen werden. Aber das ist eben die Natur von dem, was ich hier mache: Bewusstseinsstrom mal anders. Also ich will jetzt wirklich meine Spielsachen. Ich kann es nicht beschreiben, eigentlich möchte ich die Hilflosigkeit des Nachdenkenden demonstrieren. Ich möchte eigentlich gar nichts. Wobei 'möchten' die Sache nicht trifft, wobei fraglich ist, was diese Sache denn genau ist. Vermutlich gibt es sie nicht. Drei Eier ent-eigelben. Aber wie soll man das schon begrifflich bestimmen: 'es gibt etwas'. Was bedeutet das. Gar nichts. Richtig. Wir waren gerade ja auch dabei, zu sagen, es gibt keine Bedeutung. Habe ich das gesagt? Ich denke nicht. Eine halbe Stunde bei zweihundert Grad. Nun, Sprache ist also eine Strukturierung dieser Gesamtheit aller Verknüpfungen aller denkbaren semantischen Gebiete, die ich eben angesprochen hatte. Es ist gar nicht lange her. Eine Strukturierung dieses Gebietes ist ein Eingriff, man formalisiert das Gebiet. Man verändert es damit, und entfernt sich davon. Man geht ein Stückchen weiter weg. Ich beginne zu spüren, wie langweilig es hier ist. Aber das soll mich nicht beirren. Nehmen wir andere Wörter. Kreativität zum Beispiel. 400 ml Milch. Das kann nur eine Vokabel eines Realisten sein, von jemanden der Stühle und Tische und seinen Körper sieht und seine sachbezogenen Überlegungen mit gewissen Zielen zum Ziel anstellt. Wenn er irgendwann etwas älter geworden ist, entdeckt er die Fähigkeit, sich auch weniger von Tischen und Stühlen beeindrucken zu lassen und nennt den Vorgang, dem Stuhl auf den Tisch zu stellen, das Ergebnis von Kreativität. Nicht wahr, er hat die Normen verlassen. Früchte vom Sanddornbaum. Das Wort Kreativität impliziert also eine Denkrichtung, bei der das Feste zuerst da ist. Ist das so? Könnte man nicht auch in einen freien Strom aus Wahrnehmung - natürlich sind diese Worte genauso unzureichend in ihrer Treffsicherheit wie die zugehörigen Sätze - könnte man nicht auch in der nihilistischen Wildnis, ich gestatte mir diesen süffisant-blumigen Ausdruck - könnte man auch nicht in einer völlig wert- und sinnfreien Ursituation hierher gekommen sein, und sieht verschiedene Gegenstände, die sich irgendwie benutzen lassen. Jetzt mit dem Mandelmus bestreichen. Man wäre also von Anfang an kreativ. Was ich meinte ist, dass es diese Situation auszeichnen würde, von Anfang an kreativ zu sein, und dann würde es einen Begriff dafür geben nicht kreativ zu sein. Ich hoffe dass war sehr unverständlich, denn was ich meinte ist, dass es ein großes Dilemma ist, dass es das Wort Kreativität gibt. Ähnlich mit anderen Worten. Bedeutung zum Beispiel. Sinn. Intelligenz. All das. Aber das meine ich nicht so. Ich meine gar nichts. Mich gibt es nicht. Das Wasser abschütten. Eben noch ein solcher Begriff von vollkommen fraglicher Wirklichkeitsstruktrierung, oder des freien semantischen Gebietes, wie es oben in dieser vollkommen fragwürdigen Konstruktion, die meinetwegen inkonsistent und hilflos war und verwirrt, erinnern sie sich über meine Beschwerde zum Satzbau, an diesem Satz können Sie es ablesen. SPIELZEUG! Zum Satzbau: Bewusstsein hat eine andere Zeitstruktur als die Wirklichkeit, nämlich die der Gleichzeitigkeit, und damit kommt keine Syntax zurecht. Ach ja, das stimmt doch gar nicht. Verdammt, wo ist mein Spielzeug? Aber der weitere Begriff der verhängnisvollen Vorstrukturierung, den ich meinte: 'Ich'. Deshalb kann man nichts meinen. Man kann nichts meinen. Zu einem trockenen Dornfelder servieren. Sich zu überlegen warum das so ist, ist Hausaufgabe.

Die apotropäische Aposiopese als elliptisches Mysterium

Ich befinde mich noch immer im Würgegriff der Hühnerstangenmentalität auf dem Betonsims vor der Kathedrale des falschen Glaubens, der Universitätsbibliothek Marburg. Ich sitze, genauer ausgeführt..., im Raum zur elektronischen Gruppentherapie, nebenan spielt ein Jünger power soccer, gerade ist das Spielchen vorbei, seine Leistung wurde mit drei Sternchen für sportsmanship belohnt. Was er nicht weiß, dass auch ich ihm drei Sternchen verliehen habe. Wofür? Ach wissen Sie..., ganz einfach so, aus reiner Sympathie.
Gegenüber an der Buchwand des Grauens 7A, steht ein arbeitender Elektriker und umsorgt die Defektheit einer Deckenlampe, ich hoffe für ihn, dass er keinen Respekt vor der geballten Intelligenz der Anwesenden hat.
Aber eine Anekdote aus meiner wohnenden Gemeinschaft: Zu Hause, da wo meine Mitbewohner wachsen, wo sechs paarweise verschiedene Mentalitäten blühen, wo sich Silke und Conny gute Nacht sagen, ist eine Tafel in der Küche angebracht. Conny tat dort per Kreidekraft ihren Unmut gestern kund. Sie vermisse ihr Shampoo und die Q-Tipps. Und sie habe momentan wirklich kein Geld für so was. Als Robby Roboter, der mich gestern besucht hat, um mich ins sozialwissenschaftliche Institut abzuführen, in einer kleinen Ecke, rechts oben war sie, ich meine also rechts oben, und das meine ich auch so, "heul doch" hingeschrieben hat, ist die Wohngemeinschaft, ich war nicht anwesend, habe es nur abends erfahren, in tiefer Bestürzung und Betroffenheit gewesen. Conny sei wohl ziemlich geschockt gewesen. Komisch hier manchmal, meinte Silke. Ungeheuerlich. Verwirrung herrschte. Ich sage doch, diese Leute sind auf alles gefasst. Ein Einschub: Wunderbar, dass eine so konsumfeindliche Ökosympathisantin mit greenpeace-Diplom treuherzig Markennamen übernimmt, ohne dass etwa das Wort Wattestäbchen oder wtf verfügbar wäre. Egal.
Was ich sagen wollte, dass das von Robby echt nicht in Ordnung war. Dass es echt nicht angehen kann, spießbürgerliche Banalitäten in Frage zu stellen und zu illustrieren wie kleinkariert die Marburger Alternative ist. Dass es falsch ist, Leute in Frage zu stellen, die sich im Minimalkontext des Alltags so gerne der Komplexitätsreduktion hingeben. Folgerichtig hat jemand intelligent reagiert und heul doch durch Spülen!!! ersetzt, womit wohl ich gemeint gewesen sein dürfte, da ich mittags Pfannen und Töpfe und so benutzt habe, ohne sauberzumachen.
Ich kann mich also nicht entscheiden was schlimmer ist in dieser Stadt. Die zwischenmenschliche Freiheit der Formen, die in mannigfaltigsten Farbenorgasmen aufblühen und wuchern, also klein und grau sind, oder die Anstalt in der ich Hirnmasse gegen die Angst davor, dass es niemals besser werden wird, eintausche.

Kein Gerede

Leise regt sich Bass und Klingeling. Sonnenstrählchen dringen in mein Zimmer, dessen fader Gestank alter auf dem Boden verteilter mehrfach getragener zerlöcherter Socken in der Note muffiger Akkorde verhallt, sie steigen gebrochen antivirtuos aus den hingehäuften Massen gehäuteter Bettwäsche durch die eingefallenen Furchen plattgelegener Schattierungen des von Kaffeeflecken unverzierten Bettbezugs. Seit Wochen versagt mir der Antrieb irgendetwas zu waschen oder zu ordnen. Ich fingere an einem Zigarettenblättchen, eingefaltet haust es zwischen Fingerkuppen und weigert sich auseinanderzugehen. Die beiden Blättchenhälften wollen sich nicht trennen. Aber ich bin ihr Schicksal und setze mich durch. Das Lied beginnt von Neuem. Ich öffne c:/2007/fastnacht/bilanz/getränke und finde dort meinen Musikordner. Ich wähle etwas neues. Ich nippe an meinem Kaffee. Kleine ölige Felder segeln über die hellbraune Zartgrundierung in den Grenzen der Oberflächenspannung - zwischen rundem Porzellan - tun sich schwimmend kleine plus ölige Felder an. Es ist wieder einmal Morgen und die Bereitschaft etwas zu unternehmen muss sich erst noch befreien aus der Trägheit des Beginns. Es liegt in der Natur des Phänomens Entwicklung, dass sie erst zögerlich beginnt. Entwicklungsschritt n ist eine Funktion des Entwicklungsschritts n-1. Die Funktion ist rekursiv definiert und nun, das erklärt mir vieles und ich wickele mich neuerlicherdings in die Bettwolken ein. Gestern war ich bereits mit den Füßen unter einer Kopfkissenwolke gewesen und also hing ich mit dem Kopf nach unten in der Luft. Ganz schwer wurde es unter den Stirngewölben, obwohl ich dabei natürlich nichts fühlte, die alten Weinfässer rollten in den Hinterkopf, die Zargen ächzten. Heute werde ich erneut Literaturkritiken aus den Jahren 1910-1914 lesen und ich habe noch sechs Wochen für meine Abschlussarbeit Zeit. Es wird mein Abschiedsbrief sein. Ich werde mich aus dieser Stadt befreien, die es nicht wert ist namentlich erwähnt zu werden, die üble Nachrede würde mich ins Zuchthaus werfen für Jahr und Nacht. Ein Neubeginn zeichnet sich ab, auch wenn das Wo und Wie nicht auserwählt ist noch. "Was viele nicht wissen", hat mir gestern eine Person erzählt, bei der die Vereinbarung darin besteht als Begrüßung zweimal in die Händlein zu klatschen, das Buch oder die Tüte im Land zwischen Arm und Brust verstaut, was viele nicht wissen:", dass man zufrieden ist wenn man aufgehört hat unzufrieden zu sein. Das wissen viele nicht. Sie glauben immer Zufriedenheit hänge von äußeren Umständen ab." - "Ja das kann sehr wohl sein. Man würde halt traditionell einwenden, dass glücklich sein dann bedeutet, einfach einen Schalter umgelegt zu haben, glücklich sein willkürlich definiert zu haben. Das es etwas konstruiertes sei und nicht natürlich. Aber der Einwand verliert sich schnell, wenn man die Angst vor mechanischen Bauteilen - Schaltern - verloren hat." Ja schön und gut. Ich will mir darüber keine Gedanken mehr machen. Jetzt ist die Sonne auch weg und konturiertes Kühl prescht in Lufttruppen herein durch die Einfallspforte des Fensters, diesem schachtigen Blick auf die Fachwerkbalken, die aus dem Basaltpflaster in die Gipsmengen streben. Diese Altstadt ist wie ein naives romantisches Gedicht. Wo bleibt der Baustahl, die freie Lyrik des Weges durch die Hochhausfassaden am schmutzigen Spielplatz vorbei über die Gleise durch die Unterführung am Lärm vorbei und den vielen abblätternden Plakaten und die Drähte über den Strassen und die spiegelnden Flächen antennenbemützer langer Sachen des Baus. Bei jedem Satz muss ich mich unterdrücken zu erwähnen, wie mich dieses gewollt lyrische dieser Zeilen anmüdet. Ich muss jetzt ohnehin zuerst in die Pflicht rennen. Pah. Ich muss sogar Batterien kaufen. Der zeitgenössische Mensch kauft Batterien, wie lässt sich das vereinbaren mit dem Willen zur Flucht aus der Willkür der alltäglichen Bagatelle. Vielleicht auf eine besondere Spielart der Nichtursächlichkeit die Beine koordinieren, wenn ich zum Geschäft laufe. Im bitterbösesten bayrischen Dialekt mit der Kassierin reden, sauunhöflich sein oder auch nicht und die Batterien dann in den Schuhen verstauen und die Zunge aus dem Mund hängen lassen. Aber es kommt noch schlimmer. Ich muss hinterher ein Diktiergerät installieren und den Treiber suchen, dabei ist es Pflicht zu gähnen. Und ein Programm suchen mit dem ich wav-Dateien in mp3-Dateien umwandeln kann. Wieso kann man das nicht einfach per Willenskraft machen. Bin ich wirklich so minderbemittelt, dass ich Technik zu Rate ziehen muss? Ich dachte die Welt ist Wille und Vorstellung. Mist.

26 characters for cash

"Kein 'Lyriker' mit kosmischen Turnierfrohsinn, Botanisierbüchse, gemässigt-melancholischer Astronomik; kein Sonntagsjodler mit Harfe und Lanolin; auch kein Neo-Zyniker, dessen Überlegenheit über Gottes Ernst und die Herrlichkeit der Welt bloss die emphatische Verdrängung bedeutet des uninteressanten, wenn auch berechtigten Bedürfnisses, über sich selber zu kotzen."
(Kurt Hiller über Georg Heym, 1911)

Ich will kein Neozyniker sein, aber ich will über mich selbst kotzen, auch wenn es, wie sehr richtig erkannt ist, uninteressant ist. Uninteressant. Who cares. Alles ist uninteressant, es sei denn man ist geistreich und kann sich mit einem wohlgewählten Kollegen über die Anzahl und gleichbleibenden Bestandteile der Coverversionen von stephanie says zersetzen. Je nachdem, wie intellektuell man ist, wird man abstrahieren, die Schlagzahl der Diskrusebene erhöhen, beispielsweise wird man über Statik räsonnieren. Statik in der Dynamik. Oho. Was für ein Rennpferd des Geistworts. Weiter wird man auf Lessings Kindheit zu sprechen kommen und auf die factory und auf die Ikonographie Bartholomäus'. Das zeichnet den Intellektuellen aus, dass er so anachronistisch überindividuell ist. Rotwein wird es geben. Denn auch in der Fantasie ist gegeben die Abhängigkeit zur Realität. Ein Biochemiker wird die sechzig Wirksubstanzen im Rotwein bemerken. Der Aura-Physiognom der nichtwissenschaftlichen Wahrheit wird bemerken, dass ätherische Öle der Liebessaft der Pflanzen sind. Das macht man, wenn man geistreich ist, und im Glauben ist, dass das Gegenüber nicht reif genug ist, für die nicht einmal eigenen, also in tiefstem Sinne eigenen Gedanken über den literarischen Dekonstruktivismus bei Paul de Man. Fuck the Wissen. Das ist doch nur Information, Belangsloses, Inhalt. Auf was der Titel dieses Eintrags anspielt und so weiter. Und sich dann im leckeren Wissensrestaurant sich etwas für seine Identität beim Wirt bestellen - dann doch lieber Spaghetti Carbonara. Und ich schreibe Spaghetti aus Protest falsch, weil ich Neozyniker bin. Andere Entwürfe müssen her. Zum Beispiel: "Ich bin wesentlich der, dem Spaghetti Carbonara schmeckt. Das macht mich zur Gänze aus. Das bin ich." Jemanden, der sich so definiert, würde ich gerne mal treffen. Ich würde ihm mein ganzes Geld schenken. Diesem wahrhaft Weisen. Das wäre mir als Ansatz seine Persönlichkeit zu schaffen lieber, als zu sagen, ich studiere Politologie und stehe bisschen links. Ganz ehrlich (Wow jetzt macht er ja richtig ernst), es kommt auf das wahrhaft Uninteressante an, auf den Beischlaf mit dem Widerspruch. Nicht auf den Inhalt. Das ist langweilig, es sei denn man will Gefühle und das andere echte Zeug im nieben und letten Gespräch in der Küche unterdrücken, bevor es zustande kommt, indem man über Sachzusammenhänge redet, weil man kein Mensch ist. Es kommt auf die Form, aber auch nicht auf alle Formen, an, auf die Gestalt, nicht auf den Mond, sondern auf sein Licht (wie hübsch!). Ich weiß total Bescheid. Hört mich an! Nicht auf den Sinn der Worte, auf den Klang, auf die aus dem bewusstlosen Geist gebrochene Skulptur aus Eigelb (Improvisation über Max Klinger, der die Liszt-Büste gemacht hat, leckeres Wissen was?), wie das Eigelb riecht, das ist wichtig (auch für die Handelsbeziehungen mit England), nicht in welche Buchstabensuppe man es einquirlt. Aber ich wollte nicht sonntagsjodeln. Es kommt also auf die Form an, und das Kotzen als strukturontologisches Phänomen (natürlich bedeutet das nichts) betrachtet, hat eine hervorragende Form. Nun welche? Selbstverständlich. Die gebrochene Form. In dieser Form gibt es kein Ja und kein Nein, keine Dichotomien, nicht einmal Wörter, es gibt Tiere in der Frühdämmerung die Worte vom Grasboden fressen und sie hinterher ausscheiden, Nährboden wird aus dem Dung, er wird an den Grashalmen haften, die der grauhbeleibte Haubentaucher zum Nest an die See per Schnabelkraft transzendieren wird. After fifty years of composing Bach is now de-composing since twentyfive hundred (irgendwo bei lastfm gelesen). Wörter gibt also auch. Aber wenn jemand das Wort Romantik benutzt, dann muss er wissen welchen Abstand er da erwähnt zwischen dem Bezeichnenden und Bezeichneten. Ich bitte dich, aber das musst du doch wissen, Kleines. Aber das ist mir alles zu theoretisch was ich hier mache und hat mit Kotzen nichts mehr zu tun. Vielleicht wars wenigstens ein klein wenig gespuckt und gewürgt. Ich will mich einfach nicht rechtfertigen dafür, dass ich mir die Zähne lieber im Liegen putze, weil es eine gebrochene Form hat. Dass ich solange das Wort Kohleflöz sage, bis ich einschlafe (das ist mein Verständnis von Autosexualität). Zum Kotzen, zur gebrochenen Form, zum Verachten von Sinn und Bedeutung und Gestalt und Abgeschlossenheit trage ich nun etwas Abstraktes nach vorne auf die Bühne, die Sie, geneigtes Publikum, nicht sehen können. Zu meiner eigenen, für mich bestimmten Veranschaulichung des Gesagten. Über sich selber zu Kotzen ist Privatsache. Das geht keinen was an. Vielleicht ist das Einzige, was eine gebrochene Form hat doch allein das Nichts...

Zusammenarbeit der Tier- und Pflanzenproduktionsbetriebe

Fünf Kurzgeschichten werden abgelehnt vom Verleger, nur eine wird genommen und sie heißt "Meine Bierrauschseele ist trauriger als alle toten Tannenbäume der Welt". Im Film Faktotum kommt das vor, dieser Buckowski-Adaption. Ja Adaption könnte man es nennen. Der Protagonist heißt Henry Chinaski. China-Ski. "Die Tour de Ski China" endete mit einem Sprint. Philip Sebastian Furrer wurde Zehnter. Passend dazu stand ich heute an der Kasse, und vor mir hat jemand eine halbe Ananas gekauft. Die Kassierin hat dann zur Nachbarkasse geschrien, welche Nummer die Ananashälften haben. Es ist die 644. Das ist erstaunlich, denn Hannah bemerkt, dass sie nicht Paolo sondern Bruno angeschossen hat. Ich rede von Folge 644 von "Verliebt in Berlin". Kein Wunder, dass Hannah versehentlich auf Bruno geschossen hat. Den JJ1 (hübscher Name) oder Bruno oder "Problembär" war nach hundertsiebzig Jahren der erste freilebende Braunbär in Deutschland, der auf seinen Streifzügen Haus- und Nutztiere zur Strecke gebracht hat. Hoffentlich hat er nicht ein ganz bestimmtes Tier gerissen: Ich habe nämlich ein Buch auf dem Tisch liegen. Das heißt: "Drogen. Ein Ratgeber für Kinder ab 6 und Eltern." Im Abschnitt zum Polizeihund steht mein Lieblingssatz, es ist kaum erfassbar, welchen Nutzen ein sechsjähriges Kind aus ihm ziehen kann, und darüber hinaus wie groß das Vertrauen in das eigene Land wachsen wird, nach dem Satz. Er lautet: "In Deutschland wird jetzt sogar eine Sau zur Drogensuche eingesetzt." Hmm. Ganz recht. Hoffentlich hat Bruno nicht versehentlich die Sau... In dem Buch gibts noch viele Comics, zum Beispiel: ein Ameisenvolk will ein Wellenbad bauen und dann kommt da eine Flugameise vorbei und fragt nach dem Mückenleberwurstlager(?). Diese Flugameise hat auch Drogen dabei und Rumpelpumpel, so heißt eine andere Ameise nimmt was von dem Zauberpulver. Und wird so süchtig, dass es allen eine Lehre ist. Aber wie heißt schon der Titel einer expressionistischen Zeitschrift, man könnte es als Lebensmotto begreifen: "Jeder sein eigener Fußball." Heute morgen habe ich Ghost World gelesen. Auch ein Comic. Man sieht an einer Stelle nur einen Satz aus dem Fernseher kommen, ohne die ganze Werbung zu sehen. Und zwar: your room looks twice the size with creative mirrors. Solche Spiegel will ich auch. Lustigerweise gibt es die Firma wirklich. Und in Lost At Sea sagt das Hauptfigurenmädchen: When I was with you I was perfect. Nicht die Welt war perfekt, nicht das Leben, nicht das Alles mit dir und dem ganzen Sein und so weiter war einfach toll. Sondern: ich habe mich nicht nur ausgehalten, ich habe mich gemocht bei dir. Ich konnte mich verhalten wie ich es wollte, wie ich mich verhalten will, und was ich sein will, das wurde mir erst klar, als ich mit dir zusammen gewesen bin und so. Das könnte ja etwas ichfixiert klingen irgendwie. Ich habe dich nur gebraucht um mich zu mögen. Etwa i looked twice the size in your creative mirrors oder so. Also falsches Spiel oder etwas metaphorischer "Falsches Spiel in der Nervenklinik". Das ist ein Arztroman von Harald Wippenbeck, der mit dem Becken wippt, wenn ... er an die moderne Gesellschaft denkt. Übrigens: Magnus Carlsen ist jetzt auf Platz fünf der Weltrangliste, laut Aprilliste der FIDE, obwohl er erst Siebzehn ist. Er wurde als Mozart des Schach bezeichnet, und ja das will was heißen. Das erinnert mich daran, dass es in Dresden-Neustadt eine Schwulenkneipe gibt, die Anus Mundi heißt. Den gleichen Titel hat der Bericht eines Holocaust-Überlebenden, der fünf Jahre in Ausschwitz war. Ja es gibt ein Buch über Konzentrationslager, das der Arsch der Welt heißt. Ob die das in Dresden wissen...

Achtung! Kreuz im Geweih.

Vor kurzem bin ich einem Ölgemälde gegenüber gestanden: Ein weißglänzender Hirsch auf einem felsigen Grasvorsprung, unten stehen zwei Menschen, größer als alles andere auf dem Bild und lassen sich etwas erzählen. Es muss ein besonderer Hirsch sein, denn er ist nicht nur strahlend weiß, er hat auch ein goldenes Geweih. Das lustige: wo die beiden Hörner des bald verästelnden Geweihs sich verzweigen, ragt ein goldenes Kreuz auf, und in der Mitte hängt der Gekreuzigte. Das war in der Abteilung 18.- 20. Jarhundert im Städelmuseum zu Frankfurt. Ich habe vergessen, von wem das Bild ist, und wie es heißt, ich habe gar nicht auf das Schild geschaut, das Kreuz war zu interessant. Wenn ich das Bild gemalt hätte, dann wäre das wohl so abgelaufen, dass ich zuerst diese verrückte Idee mit dem Kreuz im Geweih gehabt hätte, der Rest Staffage, Nebenhandlung, Requisite. Ich gehe davon aus, dass es bei dem Bild anders war. Eine Bibelszene oder so etwas, denke ich mir, sollte illustriert werden. Hätte aber das goldene Geweih und das strahlende Weiß nicht auch ohne Kreuz gereicht? Handelt es sich hierbei um Ironie und um Übertreibung? Hat der Maler noch wochenlang danach gelacht? Nein ganz und gar nicht. Die Recherche im Netz klärt mich auf. Der Maler hat wieder einmal einen Stoff umgesetzt, der schon aus antiker, christlicher und sonstiger Mythologie her bekannt war. Es gab da wohl mal einem Hirsch mit goldenem, stilisierten Sonnenschirm zwischen dem Geweih, der hat sich wohl mal dem Buddha in einem seiner früheren Leben gezeigt. Und der Sonnenschirm soll ein Würdesymbol des Herrschers sein. Hirsch mit Sonnenschirm im Geweih. Kennt man ja vom Europapark Rust, wo die Tiere im Wildgehe neben Sonneschirmchen aus dem Eisbecher auch McDonalds-Tüten und Pommes Rot-Weiß auf dem Kopf haben und von Kindern vollgespuckt werden. Eigentlich gutes Motiv für 'ne Langnese-Werbung für Früchte der Saison in einem fiktiven mit dunkelgrüner Sonne ausgestatteten dreizehnten Monat auf dem Uranus: Waldmeister-Sorbet mit Hirschfleischstraciatella oder so. Am Schluss taucht das attraktivste Topmodel des elften Semi-Demi-Quadranten ("bayrisch Uranus") auf und brabbelt irgendwas, dass dieses Eis wirklich den Hirsch abschießt. Dann taucht Hubertus im Hintergrund auf und knallt das Vieh ohne Zögern ab. Mei is des a Freid! Dann kommen schon die Eisleute (komm säg den scheiß Sonnenschirm ab) und fahren das Vieh im Schubkarren die Böschung herab. Schnell' is noch warm. Ja, Hubertus. Auf dem Bild nämlich, dass ich gesehen habe, ist der so called Hubertushirsch abgebildet. Der ist auch vorne auf Jägermeisterflaschen drauf, nur schwebt da das Keuz im Strahlenkranz über dem Kopf. Der Hubertus von Lüttich, der alte Schlingel, der hat es mittlerweile (nachdem er Jahre lang in seinem Forstbezirk der Arsch des Oberförsters war, bis er das Teil da entdeckt hat) zum Schutzpatron der Jagd gebracht und: zum Schutzpatron der Metzger und der Optiker. Außerdem habe ich folgenden Satz gelesen: Hubertus-Brot schützt Haustiere. Na gut. Heilig ist er auch und am liebsten lässt er sich ablichten in hoher Waid mit Hirsch. Na was hat der auf dem Kopf? Und dann haben vorher die Christen aus dem Sonnenschirm ein Kreuz gemacht. Zum Glück sind sie nicht auf eine ganz andere Vertauschungsidee gekommen...
In der Antike gab's da schon mal ein goldenes Geweih. Das gehörte der Kerynitischen Hirschkuh, die hatte auch goldene Hufen (und goldene Radkappen) und Herkules sollte sie für den König von Mykene erlegen. Er wäre nicht Herkules, wenn er es nicht geschafft hatte. Er hat aber ein ganzes Jahr gebraucht, um sie zu erlegen. Wahrscheinlich hat er es aber gemacht wie bei einer Hausarbeit. Wochen lang gefaulenzt und sich gedrückt und in der Nacht vor Hirschabgabe hat er das Tier halt kurzer Hand zur Strecke gebracht. Artemis war dann ziemlich ungehalten und dann fand sie aber heraus, dass der König von Mykene wollte, dass Herkules aus Rache von Artemis getötet wird. Spannende Geschichte.
Und dann gibt es da noch die Legende von Eustachius, dem mehrfach ein Hirsch mit Kreuz auf (oder über) dem Kopf erschienen ist und zu ihm gesprochen hat, dass er Himmel und Erde erschaffen hat. Klar, dass er dann das gemacht hat, was wir alle in einer solchen Situation gemacht hätten. Er hat sich gleich in der nächsten Woche taufen lassen.
Oder die Geschichte von Ritter Maldix, der so heftig unterwegs war, dass er s o g a r am Karfreitag jagen war. Kann man sich gut vorstellen, wie er erst nicht alleine gehen wollte und noch bei seinem Kumpel war, der gerade in seiner Werkstatt die Rüstung mit Benzin ausgebrannt hat, um die mal ordentlich vom Schweiß sauber zu kriegen.

"Komm Junge, Ballern alter, ballern, ballern. Alles abballern. Biste dabei? Komm Junge. Logisch biste dabei. Ballern?"
"Wat denn. Junge. Ballern oder wat?"
"Ja genau, Alter. Ballern. Füchse, Hasen, Hirsche. Alles abballern."
"Mmmh. Ja, ne kann net."
"Wat denn du ballerst doch auch sonst gern. Oder? Ich mein: Ballern? Verstehste wat das heißt?"
"Nee du. Kann net. Muss in die Kirche. Hab letztes Mal schon voll Ärger vom Pastor gekriegt, als ich mit dir im Wald war. Außerdem soll ich nicht mehr mit dir spielen, seit dem du die Schaafsherde... weißt schon."
"Alter. Pass auf. Ich baller dich ab. Ballern verstehste?"

Na der Kumpel konnte ihn noch besänftigen und Maldix ist alleine losgeritten. Was er nicht wusste: Es sollte seine letzte Jagd werden. Er hat nämlich den Hirsch mit dem goldenen Kreuz-und-Geweih entdeckt. Von da an war er im Rauschzustand, da gings mit ihm durch. Das Tier trickst ihn aber nach langer Hetze aus, lenkt ihn auf eine Klippe und Maldix kann nicht mehr abbremsen und stürzt mit Bogen, Lanze und Pferd in die Schlucht. Im Flug schrie er noch sein letztes Wort (ballern).
Mittlerweile sind die Hirsche mit goldenem Geweih und Kreuz ausgestorben, die Geweihe sind schon längst eingeschmolzen und liegen in Fort Knox.
Und dann, und dann, und dann noch Hirschgottheiten und Joseph Beuys mit seinem Hasen und Hirschfetisch: Die Recherche zum Thema war wieder mal 5-Sterne-interessant, Informationskonsum ist ja ganz groß in unseren Tagen. Zum Beispiel weiß ich jetzt auch: Ein Hirsch ist ein Bierfass mit 200 Litern Fassungsvermögen. Na also. Wir haben also auf der Hochzeit von Alois sieben Hirsch gsuffa und fünf Stück 'gessan. Oder, was ich noch in Erfahrung gebracht habe: die Existenz von jaegerschmuck.de. Da gibt es Krawattennadeln mit Kreuz-auf-dem-Kopf-Hirsch: Bei der Frühjahrstreibjagd der letzte Schrei...

Dass wir durch den Nebel regnen

Und ekel fließt der schlechte Honig der Gedanken auf das Butterbrot der Schrift. Und Schrift ist keine Kunstform. Schrift ist eine billige Kopie auf Presspapier von etwas Echtem. Der feurigste Roman, das schuldigste Gedicht, das sind nur trockene Kreiden auf der Schultafel von Landvermessern und Geometern und Staubhaufen auf Apothekerwaagen und destilliertes Wasser. Schauen Sie sich die Jahrhunderte an! Kein einziges gutes Blatt. Kein einziges treffendes Bild. Überall ist Schrift und jede Serife, jede Punze verseucht und heimgesucht von Infektion Gedanke. Ich denke also bin ich. Ich lache über diesen schmalen Vers. Es kann nur die cartesianische Schnörkelei des Todeswunsches sein. Der Gedanke tötet alles Leben. Er tötet auch die Kunst. Im Gedanke verödet alles Streben. Der Gedanke flötet durch den Dunst. Er betäubt, er schläfert ein. Er drängt Systeme auf, Strukturen und Figuren und korrekt gestellte Uhren. Er bringt die Dinge auf den Punkt. Doch sind sie erst einmal auf dem Punkt, kann keine Fantasie, kein Pegasus und Atlantis sie zurückholen nie mehr. Sind die Dinge denn alleine Punkte, dass man sie mit diesen Insektenaugen erfassen kann, diesen Stechmückenaugen, Heuschreckenaugen des Gedankens, dem ungebetenen Sauger mit seinen stechend-schlürfenden Mundwerkzeug im Blumengarten des Bewusstseins? Sind wir denn die Götzendiener und Ketzer des Rationalismus, dass wir die Gedanken so sehr lieben sollten? Überall lauert der fahle, abgestandene Geschmack der Reflexion, stellt uns nackt auf einen Schrottplatz und hält uns einen abgebrochenen Spiegel vor, in dem sich ein Geschmiere zeichnet, ein schütteres Gewirr, man nennt es Identität. Die Kerze des Gedankens macht helle Räume dunkel. Gedanken, ekelhafte Asseltiere, sie fallen übereinander herum, begatten sich, hinterlassen ihre ineinander schleimenden Innerereienausstülpungen, Fäden aus Wattwurmschlick, sie bilden, ja, Systeme, hängen unter einander ab, bilden Spinnweben vor Kellerfenstern, sie knüpfen sich zu einem Fusselnetz, das tollwütig durch das Brackwasser sickert und nur schlammverstopfte Gummistiefel und verwittertes Abfallgut zu Tage fördert. Durch welche Fülle, welche Alpen an Gedankenschrott muss man sich wühlen, um das Gefühl freizulegen. Monate vergehen, in denen man umerhirrt in kopfischen Gespinsten, bis man eines Abends vielleicht oder eines Morgens wieder fühlen kann. Und eingehüllt ist man, in die Schwaden übelriechenden Gestanks der Sprache, diesem besoffenen Leierkasten, man spürt die Blasen durch den Darm wandern, man kann nicht mehr atmen, es schnürt einem die Gurgel zu, es zerknittert einem das Gesicht. Wir haben keine Würmer, wir haben Sprache, wir ersticken in ihrer Schlacke, ihre Fäulnis macht uns die Schläfen morsch. Man leidet nicht am Leben. Man leidet an Alles in das rechte Wort zu weben und richtigen Namen geben. Oh Gehirn, so schenke mir einen einzigen Gedanken nur, ich brauche noch den einen, nur den letzen, mache mich zum glücklichsten Narr unter den Kranken, zum schönsten unter den Aussätzigen und Ausgesetzten!
Wie fassungslos müssen wir also dem Satz 'Erst denken, dann sprechen' gegenüberstehen? Ist das die taube Anweisung, welcher Dunkelheit und Schlüpfrigkeit man den Vorzug geben soll?

BST 51

Existenz auf Schmirgelpapier, 0 x 0 cm. private library.

Rätsel vom Vogel federlos

Auf einer der beiden Restmülltonnen im Eingangsflur meines Wohnhauses befindet sich ein Aufkleber, auf dem steht - in aller Weisheit des Abendlandes: Denksport statt Wehrsport.
Aus diesem entzückenden Grund gibt es heute ein Rätsel. Doch zuvor ein Zitat aus der schöngeistigen Literatur:

"Am Mann blieb der alte Fuß lange im Bild läuten, um neun stellte das Fotoalbum, der Fuß fror auf und blätterte sich aus dem Schrank, damit er nicht an die Morgen schaute."

Das ist von Peter Bichsel - der Text, in dem es sich aufhält, trägt den Namen 'Ein Tisch ist ein Tisch'. Der Protagonist benennt alle Gegenstände um, er tauscht die Namen aus, er betreibt ein finsteres, mächtiges Spiel. Und der Student der Linguistik ist beeindruckt. Es läuft ihm der sälzerne Schweiß über die Bedeckung seines Fleisches und er gerät in eine tiefe, klaffende Krise. Sind denn Bezeichnungen wirklich so sehr dem rastlos hämmernden Wahnsinn der Willkür ausgeliefert, als Geißeln und Misshandelte, sind Namen wirklich die vom Zufall barbarisch Entmündigten? Gibt es keine Hoffnung mehr auf eine concordia zwischen den Worten und den Dingen, gar zwischen Geist und Welt? Die Hände des Studenten greifen zum Bleistift und zittern ein kleines 'hilfe' in die Bank im Vorlesungssaal in der Universität in der Welt, die mit den Namen macht, wittewittewitt was ihr gefällt.
Aber wie die Mülltonnen schon betonten, man greife nicht zur Waffe(Blei) sondern betätige seinen Geist. Der Student wird in den nächsten Momenten ohnehin von den gütigen Armen des Strukturalismus umsorgt werden, ja auch bei Bichsel erhalten die Wörter ihre Bedeutung aus dem System aller restlichen Wortbedeutungen. Unbelievable. Honeybunny, that is such a sunlotion of amazing. Das beruhigt ihn fürstlich und sein Kopf sinkt unter die Schultern auf die Bank, das 'hilfe' klebt ihm an der Stirn, er wurde erhört.
Er träumt, dass es Nacht ist, draußen schneit es und Frau Bananenkopf hat nur noch Wackelpeter Himbeer auf Tash, weil sie die Waldmeistergrütze immer morgens verzehrt. Im Detektivbüro kreist der Ventilator an der Decke, durch die verbogenen Leisten der Jalousien klettert schneevermengtes Strassenlampenlicht in die Stube, auf dem Schreibtisch liegt eine Packung Mürbeteiggebäck mit Echt-Ei und an der Wand der riesige Schatten eines Kekses.
Wenn der Ventilator ein Keks ist, fragt Madame Bananenkopf wie ein Saxophon bei John Zorn, und stapft auf Stelzen an den Wänden entlang, was ist dann eine Lampe? Und löst sich unter hämischem Gelächter gruselig in eine himbeerfarbene Wolke auf.
Nun das lässt sich ohne Methode nicht lösen. Hier sei nur eine Möglichkeit erläutert, bei der man es mit folgender Fragestellung zu tun hat: Ventilator verhält sich zu Keks wie Lampe zu x? Man könnte ein Gleichungssystem aufstellen, etwa

a := Ventilator
a' := Keks
b := Lampe
Seien r,q Relationen
Gesucht ist x, mit ara' und brx sowie aqb und a'qx.

p und q bestimmen sich aus gewissen Dissonanzen und Konsonanzen unter den Eigenschaften der jeweiligen Variablen. Bananenkopf taucht auf und unterbricht den Studenten: Auch hier hat man wieder ein Martyrium aus Möglichkeiten. Zum Beispiel: Man bestimme die Menge der Eigenschaften, und glaube tatsächlich daran, dass die Eigenschaften eines Gegenstandes eine Anzahl hätten. Jetzt bildet man die jeweiligen Mächtigkeitsquotienten der Eigenschaftsmengen und erhält in etwa so etwas wie: x hat sieben Eigenschaften.
Oder man bestimmt p und q aus ästhetischen Klangfarbenverhältnissen des Gegebenen. Ventilator geteilt durch Keks und Keks durch Ventilator und Lampe durch Ventilator und Ventilator durch Lampe fühlen sich auf der Netzhaut der Seele so und so an, so dass sich die Quotientenklangfarbe von Lampe durch x ergibt und man x ganz einfach, leichter Hand, ohne weiteres, im Nu bestimmen kann.
Ein Vorschlag meinerseits (viele werden es schon auf der Zunge gehabt haben): x ist Milchshake.
Zur Motivation und Freisetzung von Knobelfreude sei nochmals daran erinnert: Denksport statt Wehrsport. Das haben wir von den Mülltonnen gelernt. Übrigens: Natürlich ist der erwähnte Studentekopp später durch die Klausur gerasselt. Es folgte ein weiterer Traum von Frau Bananenkopf.

Glücklicherweise haben wir kein Bewusstsein.

Heizöl auf Nessel, 12x7 cm. Privatbesitz.

Nichtstationäre Zustände

Gestern habe ich folgenden Bandnamen bei lastfm gefunden, einfach Tagradio Post-Hardcore und: Artist In The Ambulance. Der Künstler in der Ambulanz. Das ist zum einen natürlich eine schlichte Situationsbeschreibung. Wir können uns das gut vorstellen, wie er noch Acrylflecken auf Handrücken und Hosenbein hat und so weiter, was mit seinem nach unten über die Augenhöhlen herab stürzenden Wildbachbrauen abgeht, die da verwildert hinabstrüppen und sich wie Schlingpflanzen über den Rilkeschen Augenbogenbau hermachen. Wie er dann die Einverständniserklärung ausfüllt, is' zwar nur 'ne Blinddarm-OP, wird schon werden Junge, aber vielleicht rutscht ja doch jemand mit dem Instrumentarium in das vordere Abdomen und verletzt eine Doppelhelix der Künstler-DNA. Später wacht er auf, seinen Nukleotidketten geht es supi, alles lief paletti, bisschen benommen ist er noch aber das kennt er ohnehin. Auch vom Malen und von der Wirklichkeit. Und das erinnert ihn daran:
Zum anderen ist artist in the ambulance eine Art Bewusstseinszustand, der jeden treffen kann. Beispielsweise nach sieben Stunden an der Theke McRib verkaufen, wo man sich kurz im CocaCola-Spiegel an der Wand sieht, die Schnauze voll hat, die Differenz aus Ich und Tätigkeit hautnah in der Seele und so spürt und sich denkt: Jawoll Alter: Ich bin jetzt in dieser Stunde: Künstler in der Ambulanz.
Oder: Man ist völlig versoffen um vier zu Hause mit der ersten Morgenbrandung angespült worden, hört sich nochmals Shunat by Nikakoi an und greift zum verachteten Mobiltelefon. Kurzmitteilung. Mitbewohnerin. Schlüssel verloren. Ruf doch an ja, wenn du zu Haus' bist. Nachher gammelt man noch im Bett herum, und gemahnt kurz zur Verbesserung des Komforts zum Aufstehen, zum sich Erheben, zum Ausbreiten der Atlasschwingen. Sie steht auf. Man legt eine zusätzliche Decke auf die Matratze und legt sich wieder hin. Jetzt kommt das wichtigste, man singt jetzt nämlich folgendes: Put your hands up in the air, it's so much weicher there. Und das zieht sich über Minuten. Und das ist es. Das ist artist in the ambulance. Nicht als Bewusstsein, sondern als Situation. Und man sieht, die haben sich echt was gedacht, als sie sich den Namen ausdachten, also darüber nachgedacht. Das verstehen wir. Fassen wir zusammen:.