Zeitschrift für Sprungkraft und Leuchtstoff

Achtung! Kreuz im Geweih.

Vor kurzem bin ich einem Ölgemälde gegenüber gestanden: Ein weißglänzender Hirsch auf einem felsigen Grasvorsprung, unten stehen zwei Menschen, größer als alles andere auf dem Bild und lassen sich etwas erzählen. Es muss ein besonderer Hirsch sein, denn er ist nicht nur strahlend weiß, er hat auch ein goldenes Geweih. Das lustige: wo die beiden Hörner des bald verästelnden Geweihs sich verzweigen, ragt ein goldenes Kreuz auf, und in der Mitte hängt der Gekreuzigte. Das war in der Abteilung 18.- 20. Jarhundert im Städelmuseum zu Frankfurt. Ich habe vergessen, von wem das Bild ist, und wie es heißt, ich habe gar nicht auf das Schild geschaut, das Kreuz war zu interessant. Wenn ich das Bild gemalt hätte, dann wäre das wohl so abgelaufen, dass ich zuerst diese verrückte Idee mit dem Kreuz im Geweih gehabt hätte, der Rest Staffage, Nebenhandlung, Requisite. Ich gehe davon aus, dass es bei dem Bild anders war. Eine Bibelszene oder so etwas, denke ich mir, sollte illustriert werden. Hätte aber das goldene Geweih und das strahlende Weiß nicht auch ohne Kreuz gereicht? Handelt es sich hierbei um Ironie und um Übertreibung? Hat der Maler noch wochenlang danach gelacht? Nein ganz und gar nicht. Die Recherche im Netz klärt mich auf. Der Maler hat wieder einmal einen Stoff umgesetzt, der schon aus antiker, christlicher und sonstiger Mythologie her bekannt war. Es gab da wohl mal einem Hirsch mit goldenem, stilisierten Sonnenschirm zwischen dem Geweih, der hat sich wohl mal dem Buddha in einem seiner früheren Leben gezeigt. Und der Sonnenschirm soll ein Würdesymbol des Herrschers sein. Hirsch mit Sonnenschirm im Geweih. Kennt man ja vom Europapark Rust, wo die Tiere im Wildgehe neben Sonneschirmchen aus dem Eisbecher auch McDonalds-Tüten und Pommes Rot-Weiß auf dem Kopf haben und von Kindern vollgespuckt werden. Eigentlich gutes Motiv für 'ne Langnese-Werbung für Früchte der Saison in einem fiktiven mit dunkelgrüner Sonne ausgestatteten dreizehnten Monat auf dem Uranus: Waldmeister-Sorbet mit Hirschfleischstraciatella oder so. Am Schluss taucht das attraktivste Topmodel des elften Semi-Demi-Quadranten ("bayrisch Uranus") auf und brabbelt irgendwas, dass dieses Eis wirklich den Hirsch abschießt. Dann taucht Hubertus im Hintergrund auf und knallt das Vieh ohne Zögern ab. Mei is des a Freid! Dann kommen schon die Eisleute (komm säg den scheiß Sonnenschirm ab) und fahren das Vieh im Schubkarren die Böschung herab. Schnell' is noch warm. Ja, Hubertus. Auf dem Bild nämlich, dass ich gesehen habe, ist der so called Hubertushirsch abgebildet. Der ist auch vorne auf Jägermeisterflaschen drauf, nur schwebt da das Keuz im Strahlenkranz über dem Kopf. Der Hubertus von Lüttich, der alte Schlingel, der hat es mittlerweile (nachdem er Jahre lang in seinem Forstbezirk der Arsch des Oberförsters war, bis er das Teil da entdeckt hat) zum Schutzpatron der Jagd gebracht und: zum Schutzpatron der Metzger und der Optiker. Außerdem habe ich folgenden Satz gelesen: Hubertus-Brot schützt Haustiere. Na gut. Heilig ist er auch und am liebsten lässt er sich ablichten in hoher Waid mit Hirsch. Na was hat der auf dem Kopf? Und dann haben vorher die Christen aus dem Sonnenschirm ein Kreuz gemacht. Zum Glück sind sie nicht auf eine ganz andere Vertauschungsidee gekommen...
In der Antike gab's da schon mal ein goldenes Geweih. Das gehörte der Kerynitischen Hirschkuh, die hatte auch goldene Hufen (und goldene Radkappen) und Herkules sollte sie für den König von Mykene erlegen. Er wäre nicht Herkules, wenn er es nicht geschafft hatte. Er hat aber ein ganzes Jahr gebraucht, um sie zu erlegen. Wahrscheinlich hat er es aber gemacht wie bei einer Hausarbeit. Wochen lang gefaulenzt und sich gedrückt und in der Nacht vor Hirschabgabe hat er das Tier halt kurzer Hand zur Strecke gebracht. Artemis war dann ziemlich ungehalten und dann fand sie aber heraus, dass der König von Mykene wollte, dass Herkules aus Rache von Artemis getötet wird. Spannende Geschichte.
Und dann gibt es da noch die Legende von Eustachius, dem mehrfach ein Hirsch mit Kreuz auf (oder über) dem Kopf erschienen ist und zu ihm gesprochen hat, dass er Himmel und Erde erschaffen hat. Klar, dass er dann das gemacht hat, was wir alle in einer solchen Situation gemacht hätten. Er hat sich gleich in der nächsten Woche taufen lassen.
Oder die Geschichte von Ritter Maldix, der so heftig unterwegs war, dass er s o g a r am Karfreitag jagen war. Kann man sich gut vorstellen, wie er erst nicht alleine gehen wollte und noch bei seinem Kumpel war, der gerade in seiner Werkstatt die Rüstung mit Benzin ausgebrannt hat, um die mal ordentlich vom Schweiß sauber zu kriegen.

"Komm Junge, Ballern alter, ballern, ballern. Alles abballern. Biste dabei? Komm Junge. Logisch biste dabei. Ballern?"
"Wat denn. Junge. Ballern oder wat?"
"Ja genau, Alter. Ballern. Füchse, Hasen, Hirsche. Alles abballern."
"Mmmh. Ja, ne kann net."
"Wat denn du ballerst doch auch sonst gern. Oder? Ich mein: Ballern? Verstehste wat das heißt?"
"Nee du. Kann net. Muss in die Kirche. Hab letztes Mal schon voll Ärger vom Pastor gekriegt, als ich mit dir im Wald war. Außerdem soll ich nicht mehr mit dir spielen, seit dem du die Schaafsherde... weißt schon."
"Alter. Pass auf. Ich baller dich ab. Ballern verstehste?"

Na der Kumpel konnte ihn noch besänftigen und Maldix ist alleine losgeritten. Was er nicht wusste: Es sollte seine letzte Jagd werden. Er hat nämlich den Hirsch mit dem goldenen Kreuz-und-Geweih entdeckt. Von da an war er im Rauschzustand, da gings mit ihm durch. Das Tier trickst ihn aber nach langer Hetze aus, lenkt ihn auf eine Klippe und Maldix kann nicht mehr abbremsen und stürzt mit Bogen, Lanze und Pferd in die Schlucht. Im Flug schrie er noch sein letztes Wort (ballern).
Mittlerweile sind die Hirsche mit goldenem Geweih und Kreuz ausgestorben, die Geweihe sind schon längst eingeschmolzen und liegen in Fort Knox.
Und dann, und dann, und dann noch Hirschgottheiten und Joseph Beuys mit seinem Hasen und Hirschfetisch: Die Recherche zum Thema war wieder mal 5-Sterne-interessant, Informationskonsum ist ja ganz groß in unseren Tagen. Zum Beispiel weiß ich jetzt auch: Ein Hirsch ist ein Bierfass mit 200 Litern Fassungsvermögen. Na also. Wir haben also auf der Hochzeit von Alois sieben Hirsch gsuffa und fünf Stück 'gessan. Oder, was ich noch in Erfahrung gebracht habe: die Existenz von jaegerschmuck.de. Da gibt es Krawattennadeln mit Kreuz-auf-dem-Kopf-Hirsch: Bei der Frühjahrstreibjagd der letzte Schrei...

3 Kommentare:

*._.* Silent Tiffy hat gesagt…

gruß aus rehmagen. muss schon wieder pissen.

christian hat gesagt…

oh gott, das ist ja großartig.

Anonym hat gesagt…

Allerwertester,

Ohne Umschweife wiewohl auch ohne Formalismus will ich zum Kern meines Anliegens kommen: Ihre Seite stinkt. Aber seien sie beruhigt, es ist der Äther, der mir schon aus den Winkeln den Lebens herzhaft bekannt ist. ''Herzhaft?'' , werden sie hier vielleicht einhaken, ''Herzhaft!'', wird es aus meiner Kehle gurgeln. Dabei meine ich damit nicht etwa eine bestimmte Art Stütze für das ach so lebenswichtige Pumporgan, mit Herzhaft schwebt mir eher ein gut Bestücktes Schwarzbrot im Sinne, mit üppigen Schinkenstreifen und frühreifen Kirschtomaten belegt. Diese kadente Nahrung gilt es unter den heißen Oberschenkel zu stationieren, dort, wo es am meisten brennt, ist der Kühlbetrieb in Gang zu halten. Wie lind sich an diesem Ort die Strauchtomaten den überfälligen Hautfalten anpassen! Wie geschmeidig der haltbare Schinken sich an die faulen Poren bindet! Wenn dann noch jemand käme, der, wissend über die Prämissen der Subjektivierung, den Haarwuchs der Schenkelverlängerung mit Halbfettmargarine einzustreichen und durchzumassieren wüsste, wäre damit ein Prozess aufrechterhalten worden, den andere Sitten ein Frühlingserwachen schimpfen würden, der in gehobenen Kreisen jedoch nur als Täuschung getadelt werden darf.
ihr Erik Kimmler aus Tübingen