"Kein 'Lyriker' mit kosmischen Turnierfrohsinn, Botanisierbüchse, gemässigt-melancholischer Astronomik; kein Sonntagsjodler mit Harfe und Lanolin; auch kein Neo-Zyniker, dessen Überlegenheit über Gottes Ernst und die Herrlichkeit der Welt bloss die emphatische Verdrängung bedeutet des uninteressanten, wenn auch berechtigten Bedürfnisses, über sich selber zu kotzen."
(Kurt Hiller über Georg Heym, 1911)
Ich will kein Neozyniker sein, aber ich will über mich selbst kotzen, auch wenn es, wie sehr richtig erkannt ist, uninteressant ist. Uninteressant. Who cares. Alles ist uninteressant, es sei denn man ist geistreich und kann sich mit einem wohlgewählten Kollegen über die Anzahl und gleichbleibenden Bestandteile der Coverversionen von stephanie says zersetzen. Je nachdem, wie intellektuell man ist, wird man abstrahieren, die Schlagzahl der Diskrusebene erhöhen, beispielsweise wird man über Statik räsonnieren. Statik in der Dynamik. Oho. Was für ein Rennpferd des Geistworts. Weiter wird man auf Lessings Kindheit zu sprechen kommen und auf die factory und auf die Ikonographie Bartholomäus'. Das zeichnet den Intellektuellen aus, dass er so anachronistisch überindividuell ist. Rotwein wird es geben. Denn auch in der Fantasie ist gegeben die Abhängigkeit zur Realität. Ein Biochemiker wird die sechzig Wirksubstanzen im Rotwein bemerken. Der Aura-Physiognom der nichtwissenschaftlichen Wahrheit wird bemerken, dass ätherische Öle der Liebessaft der Pflanzen sind. Das macht man, wenn man geistreich ist, und im Glauben ist, dass das Gegenüber nicht reif genug ist, für die nicht einmal eigenen, also in tiefstem Sinne eigenen Gedanken über den literarischen Dekonstruktivismus bei Paul de Man. Fuck the Wissen. Das ist doch nur Information, Belangsloses, Inhalt. Auf was der Titel dieses Eintrags anspielt und so weiter. Und sich dann im leckeren Wissensrestaurant sich etwas für seine Identität beim Wirt bestellen - dann doch lieber Spaghetti Carbonara. Und ich schreibe Spaghetti aus Protest falsch, weil ich Neozyniker bin. Andere Entwürfe müssen her. Zum Beispiel: "Ich bin wesentlich der, dem Spaghetti Carbonara schmeckt. Das macht mich zur Gänze aus. Das bin ich." Jemanden, der sich so definiert, würde ich gerne mal treffen. Ich würde ihm mein ganzes Geld schenken. Diesem wahrhaft Weisen. Das wäre mir als Ansatz seine Persönlichkeit zu schaffen lieber, als zu sagen, ich studiere Politologie und stehe bisschen links. Ganz ehrlich (Wow jetzt macht er ja richtig ernst), es kommt auf das wahrhaft Uninteressante an, auf den Beischlaf mit dem Widerspruch. Nicht auf den Inhalt. Das ist langweilig, es sei denn man will Gefühle und das andere echte Zeug im nieben und letten Gespräch in der Küche unterdrücken, bevor es zustande kommt, indem man über Sachzusammenhänge redet, weil man kein Mensch ist. Es kommt auf die Form, aber auch nicht auf alle Formen, an, auf die Gestalt, nicht auf den Mond, sondern auf sein Licht (wie hübsch!). Ich weiß total Bescheid. Hört mich an! Nicht auf den Sinn der Worte, auf den Klang, auf die aus dem bewusstlosen Geist gebrochene Skulptur aus Eigelb (Improvisation über Max Klinger, der die Liszt-Büste gemacht hat, leckeres Wissen was?), wie das Eigelb riecht, das ist wichtig (auch für die Handelsbeziehungen mit England), nicht in welche Buchstabensuppe man es einquirlt. Aber ich wollte nicht sonntagsjodeln. Es kommt also auf die Form an, und das Kotzen als strukturontologisches Phänomen (natürlich bedeutet das nichts) betrachtet, hat eine hervorragende Form. Nun welche? Selbstverständlich. Die gebrochene Form. In dieser Form gibt es kein Ja und kein Nein, keine Dichotomien, nicht einmal Wörter, es gibt Tiere in der Frühdämmerung die Worte vom Grasboden fressen und sie hinterher ausscheiden, Nährboden wird aus dem Dung, er wird an den Grashalmen haften, die der grauhbeleibte Haubentaucher zum Nest an die See per Schnabelkraft transzendieren wird. After fifty years of composing Bach is now de-composing since twentyfive hundred (irgendwo bei lastfm gelesen). Wörter gibt also auch. Aber wenn jemand das Wort Romantik benutzt, dann muss er wissen welchen Abstand er da erwähnt zwischen dem Bezeichnenden und Bezeichneten. Ich bitte dich, aber das musst du doch wissen, Kleines. Aber das ist mir alles zu theoretisch was ich hier mache und hat mit Kotzen nichts mehr zu tun. Vielleicht wars wenigstens ein klein wenig gespuckt und gewürgt. Ich will mich einfach nicht rechtfertigen dafür, dass ich mir die Zähne lieber im Liegen putze, weil es eine gebrochene Form hat. Dass ich solange das Wort Kohleflöz sage, bis ich einschlafe (das ist mein Verständnis von Autosexualität). Zum Kotzen, zur gebrochenen Form, zum Verachten von Sinn und Bedeutung und Gestalt und Abgeschlossenheit trage ich nun etwas Abstraktes nach vorne auf die Bühne, die Sie, geneigtes Publikum, nicht sehen können. Zu meiner eigenen, für mich bestimmten Veranschaulichung des Gesagten. Über sich selber zu Kotzen ist Privatsache. Das geht keinen was an. Vielleicht ist das Einzige, was eine gebrochene Form hat doch allein das Nichts...
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