Zeitschrift für Sprungkraft und Leuchtstoff

marketing in a loop oder Betreff: Ihr Bewerbungsschreiben

Na mein Kleiner?

Deine Bewerbung fanden wir bärenstark. Sie ist wirklich nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut. Du legst dich ja wirklich ins Zeug, um uns zu überzeugen.
Aber Spaß beiseite - obwohl wir gestehen müssen, dass es eine Herausforderung ist, ein solches Schreiben im Stil nicht zu imitieren - auch wenn es nicht gelingen würde vermutlich -, wollen wir Ihnen ernsthaft antworten. Wir als der größte Expoteur von Altglas an ingesamt vierzehn außereuropäischen Binnenhäfen ... Es ist wirklich schwer. Zuerst: Es ist uns eine Ehre, dass sie Interesse für unseren Piratensender (mit Kolonialwarenladen mit Seeblick im Dachgeschoss) zeigen. Wir bekommen täglich so viel langweilige Post der kreativen Elite und subito erhalten wir aus heiterem Himmel ein solches Juwel gelenkter Willkür und zentralistisch administrierter Diplomatenrhetorik. Sie waren Erheiterung. Sie denken erfrischend unwirtschaftlich. Lassen Sie uns raten. Sie können Sich an ihre Kindheit kaum erinnern. Das ist einer der Hauptgründe, warum sie die Vermutung anstellen, sie seien so eine Art Autist als Kind gewesen. Sie entstammen einer Arbeiterfamilie, oder vielleicht ist ihr Vater Büromaschinentechnicker gewesen, ihr Mutter hat als Bedienung dort gearbeitet, wo ihr Vater Schlager am Keyboard spielte und so weiter: aber sie hatten zuviel in der Birne. Dann haben Sie als Sechsjähriger begonnen am C64 zu programmieren. Die Befehlszeile load "xyz", 8, 15 hat sich auf ewig in ihr Hirn gebrannt, genauso wie syntax error. Sie sind in einem naturumgebenen Umfeld aufgewachsen, ihr Onkel, der zwei Bücher von Nietzsche besaß, hat- gegen den Willen ihres Vaters - darauf gepocht, sie aufs Gymnasium zu schicken. Sie waren der erste deutsche Fall von Leistungskurs Akkordeon und Schach. Ihr Abitur haben sie mit 3,0 gemacht und anschließend dachten Sie, sie hätten ihren Pflichtzoll entrichtet, das wäre es gewesen mit der Realität. Aber oh nein, da haben Sie sich getäuscht. Sie haben wild in der Gegend herum studiert, Leute kennen gelernt, die sich an Stelle ihre Namens mit "mit Frischkäse gefüllte Panzerfaust" am Telefon gemeldet haben und mit denen man barfuß über die Schnellstraße in der Peripherie Freiburgs laufen konnte. Sie hatten hundert Euro im Monat, haben aber dafür 70 Stunden im Monat im Getränkemarkt gearbeitet, um die Langzeitgebühren hinzubekommen, am Fließband haben Sie Pfandflaschen sortiert. Ja wir wissen das. Warum. Verdammt weil wir ein PR-Unternehmen sind, junger Mann, das ist Wirklichkeit. Es geht hier um inhaltliche Dinge. Schauen Sie sich doch zum Beispiel nur das Design ihres Blogs an, wenn man überhaupt von einem Design sprechen kann. Dass solche Dinge wichtig sind, das müssen sie erst noch lernen. Hier heißt es: "So hier verschieben Sie das Bild bitte in die linke untere Ecke, den Satz auf der Seite dann zweispaltig, so und für das nächste haben wir dann von diesem Kölner da, Sie wissen schon, diese Schriftart gekauft. Sie sehen wir sind da ihrem Vorschlag nachgegangen." Das würde Sie doch langweilen, oder? Ja genau, großer fliegender Achill, Sie würden in Sitzungen für bestimmte Schriftarten argumentieren müssen, und es geht um Geld. Ach Realität, richtig, das wollen Sie ja von uns. Sie denken ja, dass es nichts anderes mehr gibt.
Aber das ist alles nicht der Punkt. Warum argumentieren wir so. Nicht etwa weil wir ihr Bewerbungsschreiben für realitätsfern halten. Es ist bodenständig wie Sand am Meer. Allerdings. Wir haben jedoch eben Kontakte. Und unsere Chefredakteurin war zufällig mit Ihrem Bewerbungshelfer im Urlaub. Das wissen Sie nicht? Das kann man sogar im Internet nachlesen! Wobei Sie glücklicherweise aber nicht erwähnt werden, wie man dazu sagen muss. Was Sie genau gemacht haben, wissen wir nicht. Aber wir mussten erfahren, dass sie bereits drastischere Mittel zum Einsatz gebracht haben, als nur eine kuriose Sprache. Wir hätten Sie eigentlich genommen. Mindestens eingeladen. Auf ihrem Monitor wäre eine Pflanze ihrer Wahl gestanden, sie wäre nach wenigen Wochen wegen Verwahrlosung eingegangen. Aber dafür hätten Sie eine Sekretärin gehabt. Sie hätten in das gelbe Zimmer mit der grünen Tapete gedurft, wo es nicht schlimm ist, wenn da Menschen drin sitzen, die sich nicht rasieren und nicht wissen wer gerade Kultusminister in Bayern ist. Sie wären nach zwei Jahren der Chef der Kreativabteilung geworden. Aber selbst so jemand bewirbt sich ernsthaft.
Zum Punkt,während dieses Urlaubs, hat ihr Bewerbunghelfer - glauben Sie nicht wir hätten da von vorneherein oder prinzipiell Vorurteile - Bedenken geäußert. Die Sache sei ernst mit Ihnen. Sie würden mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder straffällig werden, wenn sie feste Verhältnisse um sich hätten. Sie halten Wirklichkeit nicht aus, sie nennen das Feststoffhaft. Stellen Sie sich vor, sie müssen, bei uns in der PR, Leute von Dingen überzeugen, die Ihnen vollkommen gleichgültig sind. Ach aber wahrscheinlich wissen Sie diese allgemeine Eigenschaft von Arbeit schon lange, dass man Dinge verfechten muss wie ein Eisenmann, obwohl man sich einen Pollenflug darum schert.
Ja. Wir überzeugen uns selbst nicht so ganz. Aber selbst ein Bewerbungsgespräch hielten wir für keine gute Idee. Mit Ihnen würden wir ohnehin nur eine halbe Stunde oder mehr lachen. Es würde zu nichts führen. Lassen Sie sich nicht entmutigen. Vielleicht klappts in der Kunst. Ach wir reden uns ja um Kopf und Kragen. Ach verdammt wir geben es zu, es is' halt das System.
Seien Sie uns nicht gram,

Mit freundlichen Grüßen,

Name steht auf dem Umschlag. Seufz.

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