Sehr geehrte Damen und Herren,
alle meine Freunde finden mich nett. Aber das bedeutet mir nichts. Hiermit bewerbe ich mich auf das von Ihnen in die Zeitung ausgeschiedene Volontariat im Bereich PR-Management. Ich will überhaupt nicht damit beginnen, ihren Verein als für mich subjektiv als ein ganz tolles Ding darzustellen. Ich lüge nicht gerne. Ich setze auch kein Lächeln auf, wenn mir nicht danach ist. Das können Sie ja schon auf dem beigefügten Bild von mir erkennen. Sie bieten eine Tätigkeit an, in deren Umrisskonturen sich mein charakterliches und kompetenzmäßiges Profil passgenau einfügt. Wissen Sie, es flutscht da richtig rein. Was muss man denn bei Ihnen machen?
Ich bin ein unglücklicher und unproduktiver Mensch. Ich habe Angst vor Handlung. Manchmal habe ich auch vor mir selbst Angst. Ich bin selbstreflexiv bis zum Grad der Autodestruktion, so dass von meinem Wille zur Welt nichts mehr übrig geblieben ist, als die Hoffnung, dass mich irgendein Realist zur realen Behandlung realer Sachverhalte befugt. Was ist das eigentlich, Welt? Benutzen Sie mich, ich bin in einem solchen Grade desorientiert, dass mir nichts mehr bleibt, als das Befolgen von Anweisungen. Ich habe keine Persönlichkeit mehr. Ich war einstmals ein kreativer und künstlerischer Mensch. Ich war ein glänzender Gott. Nun liegt mein Genie in Asche und Schutt. Meine Flügel liegen abgeschlagen und zertrampelt im Gebüsch. Neben Zigarettenkippen. Ich kann gut mit Menschen umgehen: In zwischenmenschlichen Situationen erweise ich mich als gänzlich unbrauchbar. Ich weiß einfach nicht, was die alle von mir wollen. Lassen Sie sich davon aber nicht verwirren. Das Problem bin ich. Und ich bin für ihre Stelle echt ziemlich geeignet. Ich war schon oft in irgendwelchen blöden Büros, und immer beliebt. Bezahlen Sie gut? Ich beherrsche beide existenten Arbeitsmodi: Strukturiertes und unstruktuiertes Arbeiten. Von ersterem weiß ich nicht, was es ist. Aber: Ich bin in jeder Hinsicht wißbegierig und lernbereit. Meine Neugier kennt keine Grenzen: Oh du meine heilige Neugier, hast du denn gar keine Schranken, bist du das einzige, was ewig ist?
Dass sie mich benutzen sollen - Sie erinnern sich, hab' ich oben extra hingeschrieben - schließt aber nicht aus, dass ich nicht selbstständig arbeiten könnte. Ich kann alles. Ich bin ein Draufgänger. Vielleicht können Sie mich wieder erheben. Ich bin nun mehr eine leere Hülle. Aber ist das nicht jeder, ohne es sich einzugestehen? Füllen Sie mich mit Befehlen, ich brauche eine Struktur. Ich brauche Abhängigkeiten und Zwänge. Sie können sich ja bereits lustvoll ausmalen, wie weit sie einen derart von sich selbst entmündigten Menschen missbrauchen können.
Ich will den Erfolg! Erfolg! Erfolg! Ich bin total engagiert! PR-Management interessiert mich zwar keineswegs, aber mein Bruder hat gesagt, wenn ich noch zwei weitere Jahre an der Maschine nur Bleche biege, wertet das mein Studium total ab. Aber ich verspreche Ihnen, wenn PR-Management nicht schwer ist, dann kann ich es. (Sollte ich das wirklich reinschreiben? Klingt irgendwie eingebildet)
Da ich trotz meiner psychischen Probleme meine Bewegungen kontrollieren kann, könnte ich für sie stumpfsinnigen Unsinn, sowie überflüssige Scheinaufgaben erfüllen. Ich weiß zum Beispiel auch wie Kaffee geht. In derlei Dingen bin ich ein erfahrener Mann. Ich habe schon viel auf dem Buckel. Meine Tätigkeiten in verschiedensten Betrieben und Institutionen umfassten das Vierteln von Artischocken, Socken hochkant in ein Regal stellen, sowie die Eingemeindung der umliegenden Ortschaften. Ich habe mich auch in der Teamarbeit als völlig untauglich erwiesen und herausgestrichen. Als Hirte war ich Vorgesetzter von fünfzig Stück Vieh, konnte mich aber nur selten durchsetzen. In kürzester Zeit war ich ein Spielball der Herde. (Bem.: in der Endfassung bildlicher formulieren)
Ich bin sozial nicht engagiert und vertrete mehrere Interessengruppen vor dem Universum. So kann ich damit aufwarten, Kanzler des Vereins suizidgefährdeter Demenzkranker zu sein, sowie Plus-Mitglied des Vereins zum Kartographieren von Totholzbeständen und Mitglied der Gemeinschaft trauriger Säugetiere. Außerdem bewerbe ich mich momentan um eine Stelle im PR-Management.
Es würde mich kaum interessieren, wenn Sie mich zu einem Bewerbungsgespräch einladen würden. Wir könnten ein wenig darüber diskutieren, wieso man sich immer für das interessieren muss, was man macht. Ich würde Sie argumentativ zu Boden strecken, Sie Winzling. Sie Feigling, Sie. Auch wenn Sie mich nicht nehmen würden, ich wäre trotzdem der bei weitem sympathischste Mensch, den Sie jemals kennengelenrt hätten. Sie wären von meinem melancholischen Wesen berührt. Von meiner Zartheit. Von der Milde und warmen Güte, die ich ausstrahle. Sie würden erkennen, was für eine aufgesetzte Schnabeltasse Sie eigentlich sind, und dass Sie ein kleines Engelchen besucht hat. Helfen Sie mir.
Im Anhang finden Sie meine Katze. Ich schlage Ihnen vor, sie als Perücke zu verwenden, damit ihre Frau Sie verlässt. Vorausgesetzt Sie sind ein Mann. Und verheiratet. Tun Sie nicht so als könnte ich das wissen. Bitte laden Sie mich ein.
Mit freundlichen Grüßen, Aschaffenburg, den 03.08.,
Name steht auf dem Umschlag, brauche ich ja wohl wirklich nicht mehr hier hinschreiben.
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