Zeitschrift für Sprungkraft und Leuchtstoff

Wer durch Feuer.

Ich habe neulich meine Ohren wiederholt und öfters in den Song Who by Fire von Leonard Cohen getaucht, daraufhin schlug das Wasser des Songs radiäre Wellen – die liebe Physik – so ist das eben wenn man einen Stein in einen See wirft. Ach Herr je, was ein ausnehmend lyrisches Kind. Und dann spiegelt sich auch noch die ganze Welt darin. Nicht liebreizende Symbolik. Symbole drücken in Wirklichkeit nichts aus, sie bedeuten nichts, sie haben noch nie was bedeutet. Spätestens seit der Finanzkrise sind sie egal (Als Bundesbürger komme ich im folgenden meiner Pflicht zu weirdo Aussagen über die FKK nach). Der Finanzkrisenkataklysmus. Nahum? Zefanja? In welcher Zeit dienen Medien dazu, uns lethargisch zu machen? financial crisis. Das urgroße Symbol für die materielle Eingebundenheit unseres Hirns und Handelns. Wir werden noch sehen, wie uns die Gebäude in den Straßen in den nächsten Jahren verrotten, wie die Kindergärten verfallen, wie die Anzahl der Pinienkernschokoladensorten im Supermarktregal rapide nach unten geht (siehe Besselfunktion), ebenso wie sich die Anzahl der Restaurants, in denen man noch eine richtig geile Creme brûleé (mit dem perfekten Equilibrium aus Zitronenschale und Orangenschale!) bekommt, verringern wird. Die Angst ist berechtigt. Bis der Krieg kommt (wat faselst du?). Die Angst vor dem Tod ist gleichgültig geworden. Sie gibt keine Rendite mehr. Angst vor dem Sterben ist sentimental, retroromantisch und untergärig wie schales Bier auf der Reeperbahn nachts um halb hab vergessen welche Uhrzeit das war. Was für ein Quatsch ich da rede. Aber ich habe mir sagen lassen, dass gehöre so zum reden, wenn man ein Mensch ist. Ganz gleich, denn wenn man jetzt schon so sehr nüchtern und kühl ist (i wo nüchtern und kühl), aber verzweifelt einen Weg sucht dies auch praktisch auszuleben, dann empfiehlt es sich eine Liste zusammenstellen, welche Todesarten es gibt, die den guten Menschen schon entgegengekommen sind. (Ir)Rationalismus! Zumindest wenn man das Lied von Cohen im Auge hat.

Wenn wir alles, was prinzipiell irgendwie sein kann und ist, dafür gibt es kein Wort (nicht in meinem Bekanntenkreis), hier definitorisch als Körper bezeichnen, dann wurde vor längerer Zeit bereits eine Hemikorporektomie durchgeführt – von der 2ZKB-Wohnung in Remscheid-Mitte gibt es jetzt eben nur noch die irgendwie übergroße Toilette. Soll heißen Symbole, und auch Wörter beziehen sich auf nichts mehr, abgesehen von den ewigen Trendvokabeln wie Klopapier und Ausguss – das sind einfach Evergreens, da weiß man, wat man hat. In irgendeiner Zukunft werden wir unseren Enkeln sowieso erzählen, in den Zwanzigern, da hatten wir ja nüscht, außer Klopapier und Aufguff. Opa, das heißt Ausguss. Blöde Ftähne. Zahnpaste is' seit 2025 alle.

Eigentlich sollte es hier um ein Lied von Leo (plötzlich klingelt das Telefon) gehen. Aber der Leser kann eben hier ganz genau sehen, was passiert, wenn man (im Zweifelsfall ich selbst) mir ein Thema gibt, das ich dann bearbeiten soll. Aber. Wir wollen ja so eine Art Who is Who (of Dying?) zusammenstellen. Für jede Art zu sterben einen Band. Beispielsweise Who is Who of Dying. Chapter 8: Fire. Chapter 14. Fear. Chapter 20. My own Hand. Und so weiter. Entschuldigen Sie bitte, Absolvent welchen Faches muss ich sein, um an diesem Projekt mitarbeiten zu dürfen, ich meine, so etwas muss doch sicher regelmäßig aktualisiert werden, oder? Irgendeine Philologie sollten sie auf dem Buckel haben. Vielen Dank. Und ja. Dieses Lexikon wird halbjährlich aktualisiert und gilt auch nur für den Landkreis Marburg-Biedenkopf. Und wie ist das da so mit dem Feuer? Nun, es gibt Beliebteres. Yeah. Vielen Dank. Gerne geschehen.

Zunächst die Klassifikation nach Cohen(74). Cohen unterscheidet in seiner Arbeit New Skin for Old Ceremony, insbesondere im Kapitel Who by Fire folgende Klassen: verbrennen (evtl. auch metaphorisch), ertrinken (es gibt nur eine Möglichkeit durch Wasser zu sterben), im Sonnenschein (zum Beispiel im Sonnenschein ertrinken, oder in der Mittagssonne erfrieren), nachts, entweder auf göttliches Geheiß oder der übliche Scheiß (common trail – für diese Übersetzung habe ich einen Bonner Altphilogen zu Rate gezogen, kennen Sie das, wenn man sich bei Vollmond nachts immer in einen Bonner Altphilologen zu verwandeln scheint?), dann sterben im Monat Mai oder sehr langsam und sehr qualvoll.
Unterbrechung. Dann singt Cohen nämlich „who in her lonely slip?“. Entschuldigen Sie bitte. Was soll das denn heißen. Ach so! Jetzt sehe ich gerade bei LEO, dass slip auch Kontrollabschnitt heißen kann. Übrigens: Schauen Sie mal genau da in diesem Online-Wörterbuch unter nauseous nach. Da gibt’s ein kleines Forum zu der Frage, welches Wort ich in ein Lied einbauen soll, wenn etwas stinkt.
Als nächstes singt Cohen in seiner Arbeit von ´74 von Gift von Liebe, something blunt („der Mann wurde von einem stumpfen Gegenstand usw?), Tod durch Wasserfall (gibt es also noch mehr Arten durch Wasser zu sterben?), powder (=Drogen?), Gier, Hunger, tapfere Zustimmung oder Unfall, Einsamkeit (Cohen kann keine Kategorien aufmachen, die disjunkt wären), in DIESEM Spiegel, auf Befehl der Gebieterin, Suizid, gefangen oder frei.
Aber was ich eigentlich sagen wollte. Ich mag die Arbeit von Cohen. Sehr gutes Werk. Was für eine Schande. Eigentlich wollte ich mich ernsthaft mit dem Lied auseinandersetzen und dann kam obige Wattwurmkolonie zum Vorschein. Nicht so schlimm, Rüdiger. Vielleicht probieren wir es nach der folgenden Anmerkung mit einem abrupten Ende - der Vorhang ist schwer, deshalb ist es laut wenn er auf den Boden knallt - nochmals. Vielleicht lassen wir es aber auch bleiben.

0 Begin Anmerkung;
10 REM Oben bei der Creme habe ich mich anfangs verschrieben. Statt dem „und“ ein „du“. Und
20 REM dann stand da etwas, auf das ich auch gerne ohne Zufall kommen würde, geht aber
30 REM nicht, denn es ist zu ästhetisch.
40 REM Zitronenschale du Orangenschale!
50 REM Noch etwas: Unter den Pilzen gibt es sowohl die Morchel als auch die Lorchel. Zum
60 REM Beispiel: Die Stocklorchel.
100 End Anmerkung;

Was ich eigentlich eigentlich sagen wollte. Ich mache also ein Lied, in dem ich mit depressiver, erfreulich trauriger Stimme, einfach nur drei oder vier Minuten danach frage, wer auf die eine oder andere Art aus dem Kreis der Menschen geschieden ist. Ich mag das. Sterbehilfe auf dem Weg in die Resignation. Klopapier für den Abschiss. Oder ist das wieder übertrieben.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Nur mal ein Hinweis für die, die den Song dann auch wirklich verstehen wollen ;-):

http://de.wikipedia.org/wiki/Unetaneh_tokef