Zeitschrift für Sprungkraft und Leuchtstoff

Septum Non Datur

Annihilatorischer Tremor im Duktus des Chansons. Das Ich als unangenehmes Geräusch. Das Wir als orchestraler Wohlklang. Heute in der Mittagssonne werden Wissenschaftler mit Röntgenstrahlen Streichinstrumente stimmen. Wir stellen sie hierzu in einen kalten Raum und beobachten durch das Fenster, wie sich die Schnecken drehen, ohne dass jemand berührte. Die nonmusikalische Geisteswissenschaft. Der erkältete Arzt. Wir verstehen Suche nicht als einen Prozess, sondern als ein Ding, als eine Art geographische Gegebenheit. Ich habe mich in einen Vulkanausbruch verliebt.

Die Animation der Welt durch die Animation des Menschen. Die Kolorierung von Zeug. Die Koordination sämtlicher menschlicher Augenbewegungen durch einen Großrechner in einem Methansee des Marsmondes Erde. Man bewegt die Bestandteile des eigenen Körpers mit Hilfe von Telekinese, von Teleportation von Befehlen in der Kurzdistanz. Man befindet sich in einem wohlfeil definierten Raum. Die Gedanken verwelken, sie wollten niemals Blumen sein. Wir brauchen keine Münder mehr. Unsere Zungen sind zu den Regenwürmern gegangen.

Wir müssen auf die Toilette. Wir müssen so vieles. Hier entlang. Der Begriff der Person ist innerhalb einer Schizophrenifikation der Modellzeit aufzulösen. Die Prismatisierung von Form und Inhalt im Nebel einer gesellschaftlichen Relevanz. Aus der Vogelperspektive des negativ definierten Egozentrismus verkümmern die Einzelteile unserer Phantasie in den Linoleumfackeln der Sprache. Eine Sprache kann mit ihrer eigenen Sprache nicht verschwiegen werden. Ein uneheliches Kind schon. In Deckung! Wir sind für die musikalische Verknüpfung von Aussagen. Wir sprechen uns dafür aus.

Wir brauchen ein semantisches Alternativkonstrukt zum Konzept Sinn. Wir sind für die Konstruktion einer Hierarchie verschiedener Widerspruchsklassen, Widerspruchsstrukturen, um die Fehlbildungen der nicht zweckrationalen Intelligenz vollständig zu ignorieren. Wir enthalten uns. Die Mathematik fliegt. Die argumentative Operation wird von der Artikulation eines Bewusstseinszustandes abgelöst. Oder eines halben mit zwei Würfeln Rohrzucker. Wir dürfen nicht mehr zwischen Einzeldingen unterscheiden. Wir dürfen uns jetzt küssen. Es gibt uns, so wie es das Obst gibt. Gehen Sie in einen Supermarkt und Sie finden chiffriert alle Variablen und Operatoren, die Sie brauchen um eine Formel für die Wahrscheinlichkeit der Existenz des Planeten Erde zu errechnen.

Kunst ist Schnulli. Der Student glaubt dem Professor. Die Auflösung des Ichs in der Tätigkeit hat die Unmöglichkeit zur Unterscheidung von Tätigkeiten mit sich gebracht. Wir feiern die Ganzheit. Das Plus tanzt nicht mehr mit dem Minus. Es weiß seit heute, dass es addiert. Wer einen Namen hat, weiß wie er sich im Selbstgespräch anzureden hat. Wer Selbstgespräche führt, ist bestens informiert. Wir - das sind langjährig erfahrene Berater aus allen erdenklichen Bereichen. Wir zeigen Ihnen den Weg zu mehr Effizienz bei Spieleabenden. Ihr Erfolg ist unser Spiel. Der Alkohol kommunikativer Elektrik isoliert niemanden mehr vor Feierabend. Es sei den wir arbeiten darauf hin.

In unserer erfahrungsfreien Freizeit kommt es unserem Fehlen jeglicher Urteilskraft entgegen, dass es keine Ereignisse gibt. Wir fahren in den Urlaubstagen zu unseren Lieblingskoordinaten. Mit Sonnenschutzfaktor 17 schützt sich das Bewusstsein vor uns. Der Realist empfängt alle Kanäle, er verpasst nichts mehr. Jetzt wo wir den achtundvierzigtausenddreihundertvierundneunzigsten Todestag der Transzendenz feiern, dürfen wir - datenverarbeitende Wesen plus Schicksal - uns nicht mehr davor scheuen, nur noch homogene und schlüssige Gedankeninhalte zu akzeptieren. Der Wille zur Aussage muss gebrochen werden.

Schlechte Laune ist ein Gebet. Herr im Himmel, gib dieser Busfahrt einen Sinn. Hätten wir ein Bewusstsein, so gäbe es außersprachliche Strukturen, und das wollen meine Eltern nicht. Wo sind unsere Regenjacken? Ich bin frei, weil ich mich in meinen Aufgaben wieder erkennen kann. Ich lagere mich in Identifikationen aus, ich werde dadurch so groß wie Europa.

Wir sind in die freie Totalität des Daseins geworfene Gesteins- und Geistmassen und interessieren uns für Eigenschaften. Das ist nicht weniger als unmoralisch. Das ist unheimlich. Wo sind all die Subjekte hin? Die lithiumfrostige Bohrtiefe unserer Unverstandenheit erfriert im Blautotgrau des Stahlbeckens logozentrischer Tristesse. Wo befindet sich die Amygdala, hat sie sich für diesen Ort entschieden?

Aus welcher Substanz ist der Wille? Ist er magnetisch? Wird der Kleine durchkommen? Wir verkleinern, restringieren uns, wir sind auch nur Menschen. Wir injizieren uns Sinn, wir hängen an der Nadel. Religionsunterricht ist Beschaffungskriminalität. Rationalität ist faktisch Religion. Sollten wir uns nicht das Verstehen abgewöhnen. Sollten wir nicht das Abgewöhnen verstehen. Verstehen wir das Abgewöhnen-Sollen. Von Freiheit krieg' ich immer schlechte Laune. In dieser außenlosen Zeit freue ich mich über geistige Schranken. Das chaotische Bewusstsein darf uns im Bedarfsfall den Straßenmusiker machen.

Das Vergessen ist die einzige Möglichkeit, von seinem Leben zu erzählen. Im Wald verbrennt etwas Bedeutung. Handlungen sollten zu mindestens siebzig Prozent ästethisch sein. Die Forschungsgesellschaft bewilligt Gelder für die Auffindung und Zerstörung von Autodidakten. Es gibt keine Beziehung zwischen dem Signifikanten und Signifikaten, es gibt nur die Beziehung zwischen Herrchen und Haustier.

Ereignisse sind Kleinkram. Wir trinken einen auf den endlosen Sternenhimmel über uns und den endlosen moralischen Kosmos in uns. Einfach nur sein, Fliegenpilzwein in mich rein. Es ist gut, dass die idealistische Welt nur eine Teilmenge der realistischen ist, denn dann können wir schon mal für nächste Woche mit Einkaufen planen. Glücklicherweise gibt es Konsequenzen, wir können handeln. Sind wir frei? Frind wir sei? Das blanke Handeln. Das blanke Entsetzen.

Die dritte vollständig überarbeitete Auflage meines Ich. Ich wünschte mir schon als kleines Mädchen inkonsistent und unlogisch zu denken. Gestern sind Analyse und Interpretation gestorben. Ich liebe Dich. Es gibt keine Konzepte. Das klingt gut, wir sind interessiert. Der Mensch ist eventuell noch weniger als nur ein Gehirn. Warst du schon einmal in einer Situation? Da wir nicht nachdenken, mögen wir nicht die Eigenschaften einer Sache, sondern die Sache selbst. Jetzt können wir jemanden, der die Sache auch nur teilweise kritisiert, zu den Depressiven sperren.

Zustand eins zum Zeitpunkt zwei. Die graphische Darstellung einer Illusion: das mechanische Selbstportrait. Wir sollten dem Ungeordneten das Attribut des Pathologischen zuschreiben. Das Pathologische wird morgen keine Nostalgie mehr erzeugen können. Wir unterstützen nicht einmal mehr Konzeptkunst. Wir regeln den Verkehr. Wir bringen geschichtliche Beispiele. Wir dürfen (nicht) nachdenken. Die unabgeschlossene Sache als die einzig mögliche. Werde abstrakt. Werde eine Musik. Wann? Es muss so gewesen sein.

Heute bei "Exemplarisch im Ersten": Trash-Literatur

Vor sieben Jahren lief ich mit Schrittgeschwindigkeit an einem Fassadenelement vorbei. Es handelte sich um ein Schaufenster. Es versteht sich von selbst, dass der Abstand zwischen mir und dem Schaufenster nicht der Entfernung Dortmund – Hagen entsprach. Der Leser möge dies zumindest gleich „von selbst“ verstehen, denn ich werde im nächsten Schritt meiner liebevollen (und jetzt schon auf das Äußerste aufregenden) Schilderung eines herzlich heftigen Erlebnisses (in dessen Kenntnis zu kommen der Leser mit großer Spannung herbeifleht) den Inhalt des genannten Warenpräsentationsortes beschreiben, was eben bei einer solchen Entfernung kaum durchzuführen möglich wäre. Es sei denn, man hätte mir davon erzählt. (?)

Das liebe kleine Schaufensterchen gehörte einer Apotheke und zeigte Werbung von Salbe und Tropfen gegen trockene Augen. Eine hochauflösende Nahaufnahme eines geröteten Augenwinkels befand sich auf einer Abbildung eines halben Gesichts – auf der Wange nämlich. Heutzutage geht so etwas, da wird ja alles mit dem Computer gemacht, was ich in diesem Fall sehr hoffte. Oder hatten sie etwa den Augenwinkel aus der nicht gezeigten Gesichtshälfte grauenvoll herausgeschnitten und auf die Backe geklebt? War das der Grund, warum man nur die Hälfte sah? Meine Neugier war geweckt. Aber warum war dann der Ausschnitt des entzündlichen Augenwinkels so sehr viel größer im Vergleich zum übrigen Gesicht? Hatten man hier mit einem Vergrößerungsglas gearbeitet? Was war das eigentlich für ein riesengroßer Kopf? Etwa auch vergrößert? Bei diesen ganzen Fragen vergaß ich fast, dass das ganze auf digitalem Wege … aber dann fiel es mir wieder ein.

Die Gesichtsfläche war sehr aktuell, soll heißen, sehr frisch, also glatt und regelmäßig auf kosmetische Weise betreut und gewartet. Aber diese sich gerötet in Tränensackgegend und Lidhautkante sich zeigenden Reizungen. Bah! Ich musste fast kotzen.

Unverzüglich schoss mir der mitfühlende Gedanke in den Kopf, dass dieser Frau auf der Stelle zu helfen sei (wenn sie noch lebte). Aber mal so richtig! Welch fürchterliche Entstellung dieses makellosen Teints, bei Gott dieses Gesicht bietet doch vor allen Dingen ästhetisch soviel Potential. Welch ärgerlicher Jammer. Ich musste weinen.

Als ich bereits etwa zwei Stunden in das Schaufenster starrend und – ich war gerade noch in der finalen Abschlussphase meiner Trauerarbeit und wollte sie gewissenhaft-ausreichend-sorgfältig beenden, um Spätfolgen auf meine Psyche ausschließen zu können – von Mitarbeitern des Ordnungsamtes geräumt wurde, kochte es in mir auf. Erbost entwurzelte ich kraft meines Gebisses innerhalb von 10 Sekunden etwa zwei Kilogramm Haare aus den Kopfhäuten der Ordnungshüter und rannte in den Geschäftsraum. „Guten Tag, ich habe Kopfschmerzen.“ Ich wirkte außerordentlich beherrscht (aber nicht etwa unterkühlt), wenngleich der anschließende Hustenanfall Verwirrung stiftete. „Geht es wieder, sind Sie sicher, dass es Kopfschmerzen sind.“ Was hatte der Kerl an der Kasse denn, ich hatte mich nur an einer Korkenzieherlocke verschluckt. Nach einem Glas Wasser ging es wieder. „Danke.“ Ich bezahlte und ging.

Die Sache auf dem Polizeirevier verlief später reibungslos, mit den Behörden und Ämtern arbeite ich nach vielen Jahren negativer Erfahrungen einwandfrei zusammen. Ich bezahlte das Bußgeld großspurig in bar – um wenigstens ein bisschen zu provozieren –, beschimpfte vor Verlassen des Grundstücks den Pförtner und dachte nicht an das weitere Prozedere.

Noch in derselben Nacht (etwa ein Uhr) – da mir der schwelende Zorn den Schlaf verbot – suchte ich den Ort des Geschehens auf. Schon bei meiner Ankunft verspürte ich detaillierte Lust, verheerende Vernichtungen an den Fassadenelementen vorzunehmen. Als ich den Nachmittag über das Ganze nochmals durchdacht hatte, machte mich die Erschütterung darüber – ich weiß ehrlich gesagt nicht genau worüber – mehr und mehr rasend. Obwohl ich schon im Bett lag und sogar schon meine Gurkenmaske mit Joghurt trug, verließ ich doch nochmals das Haus. Vor lauter Zorn. Oder vielleicht besser: Ich verließ es vollkommen grundlos.

Ich hatte eine Sprühdose dabei, der Inhalt war schwarzer Lack, und ich wollte das Schaufenster mit Schmierereien versauen. Ich schrieb quer über die Front folgenden Satz: „Die beste Medizin gegen trockene Augen ist immer noch ein Todesfall in der eigenen Familie.“ Ungesehen verschwand ich wieder in der Nacht. Ich hatte einen ausgesprochen erholsamen Schlaf.

Noch am selben Morgen fuhr auf der Autobahn ein Sattelschlepper mit Aluminiumformteilen und erhöhter Geschwindigkeit über einen winzigen giftgrünen Golf. Die Tochter des Apothekers wurde am Donnerstag darauf beerdigt. Meine Unschuld konnte ich mühelos nachweisen.
Aber es tut mir leid, so wie es gelaufen ist.

Ein kleiner Einschub

In diesem kleinen Einschub möchte ich auf meine Internetseite hinweisen: Meine Internetseite.
Sie ist bereits anderthalb Jahre alt, aber fast niemandem bekannt. Aus nicht ganz klaren (psychologischen) Gründen habe ich sie geheim gehalten. Man sagt, ich habe es nicht so sehr mit Selbstbewusstsein. Das Verhältnis des Menschen zu seinen eigenen Produkten ist sowieso u n g l a u b l i c h interessant. Es ist halt schwierig. Mein Kinderarzt sagt, dass manches auf der Seite, etwa die Bilder oder die Klavierstücke, nicht mehr dem Stand meiner Entwicklung entsprächen (und etwa der Zeit entstammen, wo ich noch pure (Funktions-)Lust darüber empfand, mit den Händen nach Gegenständen greifen zu können). Hingegen der Leiter der Palliativstation, in der ich in einem Einzelzimmer im Keller eines 1.000 Meter hohen Fachwerkhauses (mit Reetdach) auf den Tod (ich nehme seine nahe Ankunft mit Humor) warte, lobt beispielsweise die Abstrakte Kurzprosa. Sätze wie "Die Durstige liegt kniend in einer mit Kapseln gefüllten Strumpfhose unter einem Baggerführerschein und kocht" – bei denen man mal die Twitter-Tauglichkeit prüfen sollte, und die ich mir hier ja verkneifen musste, um den Massen zu gefallen – entzücken mich nach wie vor. Kein Wunder, denn ist es genau der Style, mit dem ich, in meiner vorletzten Schaffensperiode, viele Hefte handschriftlich füllte und lose Papiere vollschrieb, die ich dann mit Schnürsenkeln durch die mit Locher gestanzten Löcher verschnürte. Künstlerromantik ganz im Geiste der Filme der Gruppe Arnold Hau, die es mir wohl erlaubte, mit einem ihrer Filmtitel auch diese meine Schaffensphase zu überschreiben: "Der Bayrische Wald durch die Augen eines Arschfickers gesehen." Das ist natürlich nur Spass, denn so etwas würde ich mir nicht gefallen lassen. Ich erwähne es aber, weil ich mir die Filmsammlung der Gruppe (um Robert Gernhardt übrigens) zu Weihnachten wünsche (hoffentlich liest das eine relevante Person). Es gibt sie zum Beispiel bei einem großen Anbieter, den ich jetzt mal, ich hoffe, man versteht, Nil nenne. Nil, jawohl. Ein sehr langer: Fluss. Und ich lasse das letzte l – zwecks noch genauerer Angleichung – nicht weg. Hoffentlich ist es nicht so Kunstfilm-Dünsch wie der Kram von Robert Rauschenberg oder so.

Ich füge als Anekdote hinzu, dass aus dieser sehr musikalischen Zeit auch der Titel dieses Blogs stammt. Mit einem Fräulein, mit dem ich auf vielschichtige Weise emotional und zwischenmenschlich auf höchst erfreuliche Weise wechselseitig verflochten war, nahm ich in Leipzig in einer Bar Platz, deren hintere Thekenwand ein hohes Spirituosen-Regal mit Cocktailglas-Galerie bald (die altdeutsche Form von 'bildete'), und zwar, grün-blau ausgeleuchtet. Ich, der verliebte Witzbold, sagte: "Willkommen im Kabinett Kalium". Wir schrieben das Jahr 2005. Soweit der Mythos.

Wie dem auch sei, besuchen Sie die Internetseite, immer hereinspaziert, machen Sie schon, na los, ich werde sie auch bald aktualisieren, denn in meiner Schublade gibt es mittlerweile mindestens fünf Geschichtelein, die genau richtig für diesen Ort sind. Vielleicht stimmt das mit den Geschichten auch nicht und ich arbeite gerade (und zwar genau in dieser Zeile) an Vers 11.243 eines gigantischen Versepos (der Titel: "Mein Leben" – haha gosh what a crapmove), meinem privaten Gilgamesch sozusagen.