Zeitschrift für Sprungkraft und Leuchtstoff

Du sollst kein Bild machen

Betrachten wir die Welt und denken dabei, dass sie von Gott stammt, dann müssen wir sagen, dass er mit dem Teil, unserer Erde also, und allem was sich aus ihr ergibt, an der Hochschule für Kunst und Gestaltung in Offenbach, um des Dialektes willen beispielsweise da, aber es ist völlig gleich, sich wirklich nicht hätte bewerben müssen. Man hätte ihn nicht verstanden.
Glück hätte er haben müssen, wenn sich in Gegenwart seiner Bewerbungsmappe um das Pult herum wenigstens eine Diskussion entwickelt, sich wenigstens geringfügiges Interesse eingestellt hätte. Normal wäre es gewesen, wenn man es kurz durchgegangen wäre, das Werk, und dann ignoriert hätte.
Hören Sie, Frau Professorin Soundso, Teile der Mappe finde ich ja schon interessant, ich sehe auch Parallelen zu Warhol (gibt es nichts größeres für einen Künstler, als mit Warhol oder Beuys verglichen zu werden, am besten aus dem Munde eines ganz großen Kuratoren?) und auch technisch nicht unmeisterhaft, aber das Konzept, ja, wo ist das Konzept? Ich meine, und dabei deutet die Expertin auf eine Nachbarmappe auf einem Nachbartisch, hier die Gabriela, die versucht mit geometrischen Figuren die Fläche auszufüllen, das hat Hand und Fuß, sowas sehe ich nicht bei, wie heißt der... komischer Name. Ist das der Vorname? Ein emiritierter Professor, der sich in seiner Freizeit noch der Beurteilung von Einsendungen widmet, weil er innerlich spürt, dass sein kunstmissionarischer Auftrag noch nicht ausgelaufen ist, meldet sich zu Wort.
Also isch waas anet, mir fählt do ärschendwie des Relischiöse, des Spiriduälle in där Mabbe. Des is doch di dodale Willkür, odä Renate? Und wo issen do die Eibeddung in de kunsthisdorische Kondäxt?

Vielleicht hätten sie ihn doch eingeladen, aber nur um ihn billig abzufertigen und ihm zu sagen, hör' doch mal zu, du bist doch intelligent oder, wir haben da ein Problem mit unserem WLAN-Router, und das hätte er natürlich locker hingekriegt, in kürzester Zeit. Er hat ihn ja erfunden, indirekt. Ach ja und noch was, wie ist denn das jetzt mit der Mehrwertsteuer, ich hab mir eben beim Hausmeister 'ne Bockwurst geholt, die aber gegessen, während wir über deine Mappe gelacht haben, also nicht vor Ort, muss ich jetzt sieben oder neunzehn Prozent zahlen? Du kennst dich doch aus mit sowas, du kleine Realistenschlampe, oder? Naja, und dann hatten wir natürlich alle den schwarzen Samtsack auf dem Kopf, während du da warst, damit wir nicht kotzen müssen. Können wir das beim Finanzamt als Arbeitskleidung geltend machen? Die Säcke haben schließlich auch ihr Geld gekostet. Und jetzt raus mit dir. Was? Nein, schlag dir den Studienplatz aus dem Kopf, wir nehmen die Tatjana, die malt mit historischem Fußschweiß, oder den Ingo, der die Landschaftsmalerei neu interpretiert. Ästhetisch? Erstens kommt es darauf nur beschränkt an und zweitens, schick lieber eine Bewerbung an die TU-Darmstadt, Materialwissenschaften, da schlägst du alle. Wir finden, dass du der wirklich geborene Ingenieur und Architekt bist, genialer Erfinder und Techniker, Mathematiker, Logiker und so weiter, aber kein Künstler. Dazu fehlt dir die Dummheit, mein Kleiner. Du liegst doch mit deiner Idee des blanken Daseins vor jeder Ästhetik. Gott wäre ganz schön gefrustet gewesen. Das heißt natürlich nicht, dass er dann gleich Pläne für den Osten geschmiedet hätte.

Der letzte Satz ist so wahnsinnig lustig, dass ich mir in die Hose mache. Ich meine wozu sonst dient Humor, wenn nicht die verrückten Grenzen der Moral (sprachlich!) zu überschreiten. Wohlgemerkt sprachlich, oder meinetwegen auch künstlerisch, in Karikaturen zum Beispiel. Die Handlung, das muss man bewerten. Die Handlung. Und jetzt komme mir niemand mit Austin oder Searle. Man könnte sich sowieso einmal überlegen, was es heißen würde, wenn es erlaubt wäre, alles zu sagen. Man könnte sich überlegen, ob wir an einem Ort leben, an dem die wertende Funktion von Sprache überschätzend missverstanden wird. Dass man es als geradezu primitiv bezeichnen könnte, wie das geschieht. Dass es möglicherweise geistig beschränkt ist, sofort entsetzt aufzuschreien, wenn jemand sagt, alle linken Studenten haben Fußpilz. Als hätte dieser jemand etwas gegen linke Studenten gesagt. Hat er gar nicht. Er hat doch nur etwas gesagt. Erstens haben etwa 20 Prozent aller Deutschen sowieso Fußpilz (worauf meine Mutter neulich meinte, dass noch einmal jemand sagen sollte, wir Deutschen hätten keine Kultur. Ich habe aus Scham und Ehrgefühl ihr sofort den Prometheus von Johnny G ins Gesicht geflammt). Zweitens ist es doch auch wichtig, dass diese Leute Fußpilz haben! Nein. Ich will ja nur sagen, dass linke Studenten mengentheoretisch betrachtet ein höchst paradoxes Phänomen sind: Zwanzig Prozent von ihnen sind gleichzeitig alle.

Das mit der sprachlichen Wertung könnte man alles lange diskutieren, zum Beispiel weil es so einfach doch nicht ist, aber nicht hier, denn ich habe mir gerade in die Hose gemacht. Das hat jetzt Vorrang! Das liegt aber nicht daran, dass der Satz so lustig war, sondern kommt vielmehr daher, dass ich mir generell in die Hose mache. Schon immer. Konsequent. Aber wozu liegt da sonst ein Toilettenstein "Orkan der Frische" (was anderes hilft nicht gegen die seit Jahren hier im Dorf vehement verlangte Ausbürgerung) und drei Bahnen Supersaugstark-Zellstoff aus der Sabotagetechnik in meiner Unterhose? Richtig, aus Erfahrung. Ja. Und das demonstriert auch, warum Gott abgelehnt wurde. Gott denkt so wie ich. Er hat eine Situation, in meinem Fall, ununterbrochener und leidenschaftlicher Harndrang, unkontrollierbar, wie ein Wildbach oder Wolkenbruch. Der Energieerhaltungssatz in seinen Grenzbereichen, denn ich trinke eigentlich nicht sehr viel. Und dann handelt Gott gemäß dieser Situation. Wie ich, wie die Russen. Zweckmäßigeit, Verhältnismäßigkeit der Mittel, Effizienz. Das sind die Koordinaten seines Vorgehens. Deswegen wurde er auch abgelehnt. Nehmen wir den supersaugstarken Zellstoff, eigentlich ganz im Sinne der Gott'schen Methode. Eigentlich eine Erfindung antikapitalistischer Untergrundingenieure des Arbeiter- und Bauernstaats, die dem Westen per Schwamm-Flugzeugabwurf die Wolken austrocknen und den Wasserkreislauf sabotieren wollten. Zum Einsatz kam der Schwamm nicht. Man will wissen warum? Ganz einfach. Ich habe damals derartig viel Geld geboten für diese Technologie, dass der Osten mit meiner finanziellen Unterstützung zu dem geworden ist was er heute ist: Überlegen in allen wirtschaftlichen Belangen. Und die Funktionäre konnten sich soziales Handeln auf die Fahnen schreiben, denn ich wusste nicht mehr ein noch aus, bis man mich rettete.

Wie gesagt ein perfektes Beispiel für die Denke Gottes. Die Erde inklusive unserer Existenz ist nichts weiter als ein solcher Schwamm, selbstverständlich Dimensionenenen (der sogenannte multiple Plural ist morphologisch einzigartig in unserer Sprache und gibt bekanntermaßen eine besonders große Zahl der Referenten zum Ausdruck) gewitzter und heftiger, ja, Gott, der Meistertechniker, der kosmogene Ingenieur, an der Kunst-Uni hat so jemand nichts zu suchen. Und das muss er auch einsehen, dass er da sein Potential verschwendet. Das Zweckfreie liegt ihm nicht.
Was will man ihm das denn anlasten? Er hatte eine gute Idee mit seinem Planeten und dem was zu Gelächter führte, als er es am Stammtisch zum ersten Mal Mensch nannte. Lange bevor die anderen Götter nur an so was dachten.
Und was ergibt sich daraus für uns? Es ist so. Wenn wir in einer unsinnigen Welt lebten, dann müssten wir konsequenterweise unsinnig handeln. Das wäre nur stimmig. Wenn wir das also übertragen wollen auf die Situation überragender Raffinesse der Verwaltung, gerade hier in Deutschland und in der EU, in einer Phase der holistischen Komplexifizierung bürokratischer Administration: Es muss Zufriedenheit herrschen. Warum? Weil es methodisch im Einklang steht mit den Gefühlen unseres sensiblen kleinen göttlichen Schöpfers. Regeln, Verordnungen, Gesetzmäßigkeiten, Anleitungen, Gebote, alles ein rechtmäßiger Grund zur Masturbation, am besten zu Mozarts Requiem. Deshalb, erstens weil es oben angesprochen wurde, und zweitens weil ich arbeitend etwas damit zu tun hatte jüngst, und drittens weil es immer noch miese Arschlöcher gibt, die verschlafen oder den Bus verpassen und drohen damit alles kaputt zu machen, ein kleiner Auszug aus der Liturgie, der Umsatzsteuerparagraph 15a nach Lukas:

Nein doch nicht, denn es war nicht meine Intention, irgendwie gegen die Bürokratie zu wettern. Ehrlich. Ich kenne mich in dem Gebiet nur so schlecht aus, dass der fahle Nachklang von Bildzeitungsniveau nicht zu vermeiden gewesen wäre. Ich meine, es war doch auch so lustig, oder?

Schlussnotiz: Womit wir gezeigt hätten, dass Gott kein DJ ist, wie es uns der Text eines Techno-Titels sagen möchte. Denn auch der DJ ist doch ein Künstler. Dazu muss nicht erst Scooter Texte von Thomas Bernhard lesen (was er tatsächlich gemacht hat).