Zeitschrift für Sprungkraft und Leuchtstoff

Kein Gerede

Leise regt sich Bass und Klingeling. Sonnenstrählchen dringen in mein Zimmer, dessen fader Gestank alter auf dem Boden verteilter mehrfach getragener zerlöcherter Socken in der Note muffiger Akkorde verhallt, sie steigen gebrochen antivirtuos aus den hingehäuften Massen gehäuteter Bettwäsche durch die eingefallenen Furchen plattgelegener Schattierungen des von Kaffeeflecken unverzierten Bettbezugs. Seit Wochen versagt mir der Antrieb irgendetwas zu waschen oder zu ordnen. Ich fingere an einem Zigarettenblättchen, eingefaltet haust es zwischen Fingerkuppen und weigert sich auseinanderzugehen. Die beiden Blättchenhälften wollen sich nicht trennen. Aber ich bin ihr Schicksal und setze mich durch. Das Lied beginnt von Neuem. Ich öffne c:/2007/fastnacht/bilanz/getränke und finde dort meinen Musikordner. Ich wähle etwas neues. Ich nippe an meinem Kaffee. Kleine ölige Felder segeln über die hellbraune Zartgrundierung in den Grenzen der Oberflächenspannung - zwischen rundem Porzellan - tun sich schwimmend kleine plus ölige Felder an. Es ist wieder einmal Morgen und die Bereitschaft etwas zu unternehmen muss sich erst noch befreien aus der Trägheit des Beginns. Es liegt in der Natur des Phänomens Entwicklung, dass sie erst zögerlich beginnt. Entwicklungsschritt n ist eine Funktion des Entwicklungsschritts n-1. Die Funktion ist rekursiv definiert und nun, das erklärt mir vieles und ich wickele mich neuerlicherdings in die Bettwolken ein. Gestern war ich bereits mit den Füßen unter einer Kopfkissenwolke gewesen und also hing ich mit dem Kopf nach unten in der Luft. Ganz schwer wurde es unter den Stirngewölben, obwohl ich dabei natürlich nichts fühlte, die alten Weinfässer rollten in den Hinterkopf, die Zargen ächzten. Heute werde ich erneut Literaturkritiken aus den Jahren 1910-1914 lesen und ich habe noch sechs Wochen für meine Abschlussarbeit Zeit. Es wird mein Abschiedsbrief sein. Ich werde mich aus dieser Stadt befreien, die es nicht wert ist namentlich erwähnt zu werden, die üble Nachrede würde mich ins Zuchthaus werfen für Jahr und Nacht. Ein Neubeginn zeichnet sich ab, auch wenn das Wo und Wie nicht auserwählt ist noch. "Was viele nicht wissen", hat mir gestern eine Person erzählt, bei der die Vereinbarung darin besteht als Begrüßung zweimal in die Händlein zu klatschen, das Buch oder die Tüte im Land zwischen Arm und Brust verstaut, was viele nicht wissen:", dass man zufrieden ist wenn man aufgehört hat unzufrieden zu sein. Das wissen viele nicht. Sie glauben immer Zufriedenheit hänge von äußeren Umständen ab." - "Ja das kann sehr wohl sein. Man würde halt traditionell einwenden, dass glücklich sein dann bedeutet, einfach einen Schalter umgelegt zu haben, glücklich sein willkürlich definiert zu haben. Das es etwas konstruiertes sei und nicht natürlich. Aber der Einwand verliert sich schnell, wenn man die Angst vor mechanischen Bauteilen - Schaltern - verloren hat." Ja schön und gut. Ich will mir darüber keine Gedanken mehr machen. Jetzt ist die Sonne auch weg und konturiertes Kühl prescht in Lufttruppen herein durch die Einfallspforte des Fensters, diesem schachtigen Blick auf die Fachwerkbalken, die aus dem Basaltpflaster in die Gipsmengen streben. Diese Altstadt ist wie ein naives romantisches Gedicht. Wo bleibt der Baustahl, die freie Lyrik des Weges durch die Hochhausfassaden am schmutzigen Spielplatz vorbei über die Gleise durch die Unterführung am Lärm vorbei und den vielen abblätternden Plakaten und die Drähte über den Strassen und die spiegelnden Flächen antennenbemützer langer Sachen des Baus. Bei jedem Satz muss ich mich unterdrücken zu erwähnen, wie mich dieses gewollt lyrische dieser Zeilen anmüdet. Ich muss jetzt ohnehin zuerst in die Pflicht rennen. Pah. Ich muss sogar Batterien kaufen. Der zeitgenössische Mensch kauft Batterien, wie lässt sich das vereinbaren mit dem Willen zur Flucht aus der Willkür der alltäglichen Bagatelle. Vielleicht auf eine besondere Spielart der Nichtursächlichkeit die Beine koordinieren, wenn ich zum Geschäft laufe. Im bitterbösesten bayrischen Dialekt mit der Kassierin reden, sauunhöflich sein oder auch nicht und die Batterien dann in den Schuhen verstauen und die Zunge aus dem Mund hängen lassen. Aber es kommt noch schlimmer. Ich muss hinterher ein Diktiergerät installieren und den Treiber suchen, dabei ist es Pflicht zu gähnen. Und ein Programm suchen mit dem ich wav-Dateien in mp3-Dateien umwandeln kann. Wieso kann man das nicht einfach per Willenskraft machen. Bin ich wirklich so minderbemittelt, dass ich Technik zu Rate ziehen muss? Ich dachte die Welt ist Wille und Vorstellung. Mist.

26 characters for cash

"Kein 'Lyriker' mit kosmischen Turnierfrohsinn, Botanisierbüchse, gemässigt-melancholischer Astronomik; kein Sonntagsjodler mit Harfe und Lanolin; auch kein Neo-Zyniker, dessen Überlegenheit über Gottes Ernst und die Herrlichkeit der Welt bloss die emphatische Verdrängung bedeutet des uninteressanten, wenn auch berechtigten Bedürfnisses, über sich selber zu kotzen."
(Kurt Hiller über Georg Heym, 1911)

Ich will kein Neozyniker sein, aber ich will über mich selbst kotzen, auch wenn es, wie sehr richtig erkannt ist, uninteressant ist. Uninteressant. Who cares. Alles ist uninteressant, es sei denn man ist geistreich und kann sich mit einem wohlgewählten Kollegen über die Anzahl und gleichbleibenden Bestandteile der Coverversionen von stephanie says zersetzen. Je nachdem, wie intellektuell man ist, wird man abstrahieren, die Schlagzahl der Diskrusebene erhöhen, beispielsweise wird man über Statik räsonnieren. Statik in der Dynamik. Oho. Was für ein Rennpferd des Geistworts. Weiter wird man auf Lessings Kindheit zu sprechen kommen und auf die factory und auf die Ikonographie Bartholomäus'. Das zeichnet den Intellektuellen aus, dass er so anachronistisch überindividuell ist. Rotwein wird es geben. Denn auch in der Fantasie ist gegeben die Abhängigkeit zur Realität. Ein Biochemiker wird die sechzig Wirksubstanzen im Rotwein bemerken. Der Aura-Physiognom der nichtwissenschaftlichen Wahrheit wird bemerken, dass ätherische Öle der Liebessaft der Pflanzen sind. Das macht man, wenn man geistreich ist, und im Glauben ist, dass das Gegenüber nicht reif genug ist, für die nicht einmal eigenen, also in tiefstem Sinne eigenen Gedanken über den literarischen Dekonstruktivismus bei Paul de Man. Fuck the Wissen. Das ist doch nur Information, Belangsloses, Inhalt. Auf was der Titel dieses Eintrags anspielt und so weiter. Und sich dann im leckeren Wissensrestaurant sich etwas für seine Identität beim Wirt bestellen - dann doch lieber Spaghetti Carbonara. Und ich schreibe Spaghetti aus Protest falsch, weil ich Neozyniker bin. Andere Entwürfe müssen her. Zum Beispiel: "Ich bin wesentlich der, dem Spaghetti Carbonara schmeckt. Das macht mich zur Gänze aus. Das bin ich." Jemanden, der sich so definiert, würde ich gerne mal treffen. Ich würde ihm mein ganzes Geld schenken. Diesem wahrhaft Weisen. Das wäre mir als Ansatz seine Persönlichkeit zu schaffen lieber, als zu sagen, ich studiere Politologie und stehe bisschen links. Ganz ehrlich (Wow jetzt macht er ja richtig ernst), es kommt auf das wahrhaft Uninteressante an, auf den Beischlaf mit dem Widerspruch. Nicht auf den Inhalt. Das ist langweilig, es sei denn man will Gefühle und das andere echte Zeug im nieben und letten Gespräch in der Küche unterdrücken, bevor es zustande kommt, indem man über Sachzusammenhänge redet, weil man kein Mensch ist. Es kommt auf die Form, aber auch nicht auf alle Formen, an, auf die Gestalt, nicht auf den Mond, sondern auf sein Licht (wie hübsch!). Ich weiß total Bescheid. Hört mich an! Nicht auf den Sinn der Worte, auf den Klang, auf die aus dem bewusstlosen Geist gebrochene Skulptur aus Eigelb (Improvisation über Max Klinger, der die Liszt-Büste gemacht hat, leckeres Wissen was?), wie das Eigelb riecht, das ist wichtig (auch für die Handelsbeziehungen mit England), nicht in welche Buchstabensuppe man es einquirlt. Aber ich wollte nicht sonntagsjodeln. Es kommt also auf die Form an, und das Kotzen als strukturontologisches Phänomen (natürlich bedeutet das nichts) betrachtet, hat eine hervorragende Form. Nun welche? Selbstverständlich. Die gebrochene Form. In dieser Form gibt es kein Ja und kein Nein, keine Dichotomien, nicht einmal Wörter, es gibt Tiere in der Frühdämmerung die Worte vom Grasboden fressen und sie hinterher ausscheiden, Nährboden wird aus dem Dung, er wird an den Grashalmen haften, die der grauhbeleibte Haubentaucher zum Nest an die See per Schnabelkraft transzendieren wird. After fifty years of composing Bach is now de-composing since twentyfive hundred (irgendwo bei lastfm gelesen). Wörter gibt also auch. Aber wenn jemand das Wort Romantik benutzt, dann muss er wissen welchen Abstand er da erwähnt zwischen dem Bezeichnenden und Bezeichneten. Ich bitte dich, aber das musst du doch wissen, Kleines. Aber das ist mir alles zu theoretisch was ich hier mache und hat mit Kotzen nichts mehr zu tun. Vielleicht wars wenigstens ein klein wenig gespuckt und gewürgt. Ich will mich einfach nicht rechtfertigen dafür, dass ich mir die Zähne lieber im Liegen putze, weil es eine gebrochene Form hat. Dass ich solange das Wort Kohleflöz sage, bis ich einschlafe (das ist mein Verständnis von Autosexualität). Zum Kotzen, zur gebrochenen Form, zum Verachten von Sinn und Bedeutung und Gestalt und Abgeschlossenheit trage ich nun etwas Abstraktes nach vorne auf die Bühne, die Sie, geneigtes Publikum, nicht sehen können. Zu meiner eigenen, für mich bestimmten Veranschaulichung des Gesagten. Über sich selber zu Kotzen ist Privatsache. Das geht keinen was an. Vielleicht ist das Einzige, was eine gebrochene Form hat doch allein das Nichts...

Zusammenarbeit der Tier- und Pflanzenproduktionsbetriebe

Fünf Kurzgeschichten werden abgelehnt vom Verleger, nur eine wird genommen und sie heißt "Meine Bierrauschseele ist trauriger als alle toten Tannenbäume der Welt". Im Film Faktotum kommt das vor, dieser Buckowski-Adaption. Ja Adaption könnte man es nennen. Der Protagonist heißt Henry Chinaski. China-Ski. "Die Tour de Ski China" endete mit einem Sprint. Philip Sebastian Furrer wurde Zehnter. Passend dazu stand ich heute an der Kasse, und vor mir hat jemand eine halbe Ananas gekauft. Die Kassierin hat dann zur Nachbarkasse geschrien, welche Nummer die Ananashälften haben. Es ist die 644. Das ist erstaunlich, denn Hannah bemerkt, dass sie nicht Paolo sondern Bruno angeschossen hat. Ich rede von Folge 644 von "Verliebt in Berlin". Kein Wunder, dass Hannah versehentlich auf Bruno geschossen hat. Den JJ1 (hübscher Name) oder Bruno oder "Problembär" war nach hundertsiebzig Jahren der erste freilebende Braunbär in Deutschland, der auf seinen Streifzügen Haus- und Nutztiere zur Strecke gebracht hat. Hoffentlich hat er nicht ein ganz bestimmtes Tier gerissen: Ich habe nämlich ein Buch auf dem Tisch liegen. Das heißt: "Drogen. Ein Ratgeber für Kinder ab 6 und Eltern." Im Abschnitt zum Polizeihund steht mein Lieblingssatz, es ist kaum erfassbar, welchen Nutzen ein sechsjähriges Kind aus ihm ziehen kann, und darüber hinaus wie groß das Vertrauen in das eigene Land wachsen wird, nach dem Satz. Er lautet: "In Deutschland wird jetzt sogar eine Sau zur Drogensuche eingesetzt." Hmm. Ganz recht. Hoffentlich hat Bruno nicht versehentlich die Sau... In dem Buch gibts noch viele Comics, zum Beispiel: ein Ameisenvolk will ein Wellenbad bauen und dann kommt da eine Flugameise vorbei und fragt nach dem Mückenleberwurstlager(?). Diese Flugameise hat auch Drogen dabei und Rumpelpumpel, so heißt eine andere Ameise nimmt was von dem Zauberpulver. Und wird so süchtig, dass es allen eine Lehre ist. Aber wie heißt schon der Titel einer expressionistischen Zeitschrift, man könnte es als Lebensmotto begreifen: "Jeder sein eigener Fußball." Heute morgen habe ich Ghost World gelesen. Auch ein Comic. Man sieht an einer Stelle nur einen Satz aus dem Fernseher kommen, ohne die ganze Werbung zu sehen. Und zwar: your room looks twice the size with creative mirrors. Solche Spiegel will ich auch. Lustigerweise gibt es die Firma wirklich. Und in Lost At Sea sagt das Hauptfigurenmädchen: When I was with you I was perfect. Nicht die Welt war perfekt, nicht das Leben, nicht das Alles mit dir und dem ganzen Sein und so weiter war einfach toll. Sondern: ich habe mich nicht nur ausgehalten, ich habe mich gemocht bei dir. Ich konnte mich verhalten wie ich es wollte, wie ich mich verhalten will, und was ich sein will, das wurde mir erst klar, als ich mit dir zusammen gewesen bin und so. Das könnte ja etwas ichfixiert klingen irgendwie. Ich habe dich nur gebraucht um mich zu mögen. Etwa i looked twice the size in your creative mirrors oder so. Also falsches Spiel oder etwas metaphorischer "Falsches Spiel in der Nervenklinik". Das ist ein Arztroman von Harald Wippenbeck, der mit dem Becken wippt, wenn ... er an die moderne Gesellschaft denkt. Übrigens: Magnus Carlsen ist jetzt auf Platz fünf der Weltrangliste, laut Aprilliste der FIDE, obwohl er erst Siebzehn ist. Er wurde als Mozart des Schach bezeichnet, und ja das will was heißen. Das erinnert mich daran, dass es in Dresden-Neustadt eine Schwulenkneipe gibt, die Anus Mundi heißt. Den gleichen Titel hat der Bericht eines Holocaust-Überlebenden, der fünf Jahre in Ausschwitz war. Ja es gibt ein Buch über Konzentrationslager, das der Arsch der Welt heißt. Ob die das in Dresden wissen...

Achtung! Kreuz im Geweih.

Vor kurzem bin ich einem Ölgemälde gegenüber gestanden: Ein weißglänzender Hirsch auf einem felsigen Grasvorsprung, unten stehen zwei Menschen, größer als alles andere auf dem Bild und lassen sich etwas erzählen. Es muss ein besonderer Hirsch sein, denn er ist nicht nur strahlend weiß, er hat auch ein goldenes Geweih. Das lustige: wo die beiden Hörner des bald verästelnden Geweihs sich verzweigen, ragt ein goldenes Kreuz auf, und in der Mitte hängt der Gekreuzigte. Das war in der Abteilung 18.- 20. Jarhundert im Städelmuseum zu Frankfurt. Ich habe vergessen, von wem das Bild ist, und wie es heißt, ich habe gar nicht auf das Schild geschaut, das Kreuz war zu interessant. Wenn ich das Bild gemalt hätte, dann wäre das wohl so abgelaufen, dass ich zuerst diese verrückte Idee mit dem Kreuz im Geweih gehabt hätte, der Rest Staffage, Nebenhandlung, Requisite. Ich gehe davon aus, dass es bei dem Bild anders war. Eine Bibelszene oder so etwas, denke ich mir, sollte illustriert werden. Hätte aber das goldene Geweih und das strahlende Weiß nicht auch ohne Kreuz gereicht? Handelt es sich hierbei um Ironie und um Übertreibung? Hat der Maler noch wochenlang danach gelacht? Nein ganz und gar nicht. Die Recherche im Netz klärt mich auf. Der Maler hat wieder einmal einen Stoff umgesetzt, der schon aus antiker, christlicher und sonstiger Mythologie her bekannt war. Es gab da wohl mal einem Hirsch mit goldenem, stilisierten Sonnenschirm zwischen dem Geweih, der hat sich wohl mal dem Buddha in einem seiner früheren Leben gezeigt. Und der Sonnenschirm soll ein Würdesymbol des Herrschers sein. Hirsch mit Sonnenschirm im Geweih. Kennt man ja vom Europapark Rust, wo die Tiere im Wildgehe neben Sonneschirmchen aus dem Eisbecher auch McDonalds-Tüten und Pommes Rot-Weiß auf dem Kopf haben und von Kindern vollgespuckt werden. Eigentlich gutes Motiv für 'ne Langnese-Werbung für Früchte der Saison in einem fiktiven mit dunkelgrüner Sonne ausgestatteten dreizehnten Monat auf dem Uranus: Waldmeister-Sorbet mit Hirschfleischstraciatella oder so. Am Schluss taucht das attraktivste Topmodel des elften Semi-Demi-Quadranten ("bayrisch Uranus") auf und brabbelt irgendwas, dass dieses Eis wirklich den Hirsch abschießt. Dann taucht Hubertus im Hintergrund auf und knallt das Vieh ohne Zögern ab. Mei is des a Freid! Dann kommen schon die Eisleute (komm säg den scheiß Sonnenschirm ab) und fahren das Vieh im Schubkarren die Böschung herab. Schnell' is noch warm. Ja, Hubertus. Auf dem Bild nämlich, dass ich gesehen habe, ist der so called Hubertushirsch abgebildet. Der ist auch vorne auf Jägermeisterflaschen drauf, nur schwebt da das Keuz im Strahlenkranz über dem Kopf. Der Hubertus von Lüttich, der alte Schlingel, der hat es mittlerweile (nachdem er Jahre lang in seinem Forstbezirk der Arsch des Oberförsters war, bis er das Teil da entdeckt hat) zum Schutzpatron der Jagd gebracht und: zum Schutzpatron der Metzger und der Optiker. Außerdem habe ich folgenden Satz gelesen: Hubertus-Brot schützt Haustiere. Na gut. Heilig ist er auch und am liebsten lässt er sich ablichten in hoher Waid mit Hirsch. Na was hat der auf dem Kopf? Und dann haben vorher die Christen aus dem Sonnenschirm ein Kreuz gemacht. Zum Glück sind sie nicht auf eine ganz andere Vertauschungsidee gekommen...
In der Antike gab's da schon mal ein goldenes Geweih. Das gehörte der Kerynitischen Hirschkuh, die hatte auch goldene Hufen (und goldene Radkappen) und Herkules sollte sie für den König von Mykene erlegen. Er wäre nicht Herkules, wenn er es nicht geschafft hatte. Er hat aber ein ganzes Jahr gebraucht, um sie zu erlegen. Wahrscheinlich hat er es aber gemacht wie bei einer Hausarbeit. Wochen lang gefaulenzt und sich gedrückt und in der Nacht vor Hirschabgabe hat er das Tier halt kurzer Hand zur Strecke gebracht. Artemis war dann ziemlich ungehalten und dann fand sie aber heraus, dass der König von Mykene wollte, dass Herkules aus Rache von Artemis getötet wird. Spannende Geschichte.
Und dann gibt es da noch die Legende von Eustachius, dem mehrfach ein Hirsch mit Kreuz auf (oder über) dem Kopf erschienen ist und zu ihm gesprochen hat, dass er Himmel und Erde erschaffen hat. Klar, dass er dann das gemacht hat, was wir alle in einer solchen Situation gemacht hätten. Er hat sich gleich in der nächsten Woche taufen lassen.
Oder die Geschichte von Ritter Maldix, der so heftig unterwegs war, dass er s o g a r am Karfreitag jagen war. Kann man sich gut vorstellen, wie er erst nicht alleine gehen wollte und noch bei seinem Kumpel war, der gerade in seiner Werkstatt die Rüstung mit Benzin ausgebrannt hat, um die mal ordentlich vom Schweiß sauber zu kriegen.

"Komm Junge, Ballern alter, ballern, ballern. Alles abballern. Biste dabei? Komm Junge. Logisch biste dabei. Ballern?"
"Wat denn. Junge. Ballern oder wat?"
"Ja genau, Alter. Ballern. Füchse, Hasen, Hirsche. Alles abballern."
"Mmmh. Ja, ne kann net."
"Wat denn du ballerst doch auch sonst gern. Oder? Ich mein: Ballern? Verstehste wat das heißt?"
"Nee du. Kann net. Muss in die Kirche. Hab letztes Mal schon voll Ärger vom Pastor gekriegt, als ich mit dir im Wald war. Außerdem soll ich nicht mehr mit dir spielen, seit dem du die Schaafsherde... weißt schon."
"Alter. Pass auf. Ich baller dich ab. Ballern verstehste?"

Na der Kumpel konnte ihn noch besänftigen und Maldix ist alleine losgeritten. Was er nicht wusste: Es sollte seine letzte Jagd werden. Er hat nämlich den Hirsch mit dem goldenen Kreuz-und-Geweih entdeckt. Von da an war er im Rauschzustand, da gings mit ihm durch. Das Tier trickst ihn aber nach langer Hetze aus, lenkt ihn auf eine Klippe und Maldix kann nicht mehr abbremsen und stürzt mit Bogen, Lanze und Pferd in die Schlucht. Im Flug schrie er noch sein letztes Wort (ballern).
Mittlerweile sind die Hirsche mit goldenem Geweih und Kreuz ausgestorben, die Geweihe sind schon längst eingeschmolzen und liegen in Fort Knox.
Und dann, und dann, und dann noch Hirschgottheiten und Joseph Beuys mit seinem Hasen und Hirschfetisch: Die Recherche zum Thema war wieder mal 5-Sterne-interessant, Informationskonsum ist ja ganz groß in unseren Tagen. Zum Beispiel weiß ich jetzt auch: Ein Hirsch ist ein Bierfass mit 200 Litern Fassungsvermögen. Na also. Wir haben also auf der Hochzeit von Alois sieben Hirsch gsuffa und fünf Stück 'gessan. Oder, was ich noch in Erfahrung gebracht habe: die Existenz von jaegerschmuck.de. Da gibt es Krawattennadeln mit Kreuz-auf-dem-Kopf-Hirsch: Bei der Frühjahrstreibjagd der letzte Schrei...

Dass wir durch den Nebel regnen

Und ekel fließt der schlechte Honig der Gedanken auf das Butterbrot der Schrift. Und Schrift ist keine Kunstform. Schrift ist eine billige Kopie auf Presspapier von etwas Echtem. Der feurigste Roman, das schuldigste Gedicht, das sind nur trockene Kreiden auf der Schultafel von Landvermessern und Geometern und Staubhaufen auf Apothekerwaagen und destilliertes Wasser. Schauen Sie sich die Jahrhunderte an! Kein einziges gutes Blatt. Kein einziges treffendes Bild. Überall ist Schrift und jede Serife, jede Punze verseucht und heimgesucht von Infektion Gedanke. Ich denke also bin ich. Ich lache über diesen schmalen Vers. Es kann nur die cartesianische Schnörkelei des Todeswunsches sein. Der Gedanke tötet alles Leben. Er tötet auch die Kunst. Im Gedanke verödet alles Streben. Der Gedanke flötet durch den Dunst. Er betäubt, er schläfert ein. Er drängt Systeme auf, Strukturen und Figuren und korrekt gestellte Uhren. Er bringt die Dinge auf den Punkt. Doch sind sie erst einmal auf dem Punkt, kann keine Fantasie, kein Pegasus und Atlantis sie zurückholen nie mehr. Sind die Dinge denn alleine Punkte, dass man sie mit diesen Insektenaugen erfassen kann, diesen Stechmückenaugen, Heuschreckenaugen des Gedankens, dem ungebetenen Sauger mit seinen stechend-schlürfenden Mundwerkzeug im Blumengarten des Bewusstseins? Sind wir denn die Götzendiener und Ketzer des Rationalismus, dass wir die Gedanken so sehr lieben sollten? Überall lauert der fahle, abgestandene Geschmack der Reflexion, stellt uns nackt auf einen Schrottplatz und hält uns einen abgebrochenen Spiegel vor, in dem sich ein Geschmiere zeichnet, ein schütteres Gewirr, man nennt es Identität. Die Kerze des Gedankens macht helle Räume dunkel. Gedanken, ekelhafte Asseltiere, sie fallen übereinander herum, begatten sich, hinterlassen ihre ineinander schleimenden Innerereienausstülpungen, Fäden aus Wattwurmschlick, sie bilden, ja, Systeme, hängen unter einander ab, bilden Spinnweben vor Kellerfenstern, sie knüpfen sich zu einem Fusselnetz, das tollwütig durch das Brackwasser sickert und nur schlammverstopfte Gummistiefel und verwittertes Abfallgut zu Tage fördert. Durch welche Fülle, welche Alpen an Gedankenschrott muss man sich wühlen, um das Gefühl freizulegen. Monate vergehen, in denen man umerhirrt in kopfischen Gespinsten, bis man eines Abends vielleicht oder eines Morgens wieder fühlen kann. Und eingehüllt ist man, in die Schwaden übelriechenden Gestanks der Sprache, diesem besoffenen Leierkasten, man spürt die Blasen durch den Darm wandern, man kann nicht mehr atmen, es schnürt einem die Gurgel zu, es zerknittert einem das Gesicht. Wir haben keine Würmer, wir haben Sprache, wir ersticken in ihrer Schlacke, ihre Fäulnis macht uns die Schläfen morsch. Man leidet nicht am Leben. Man leidet an Alles in das rechte Wort zu weben und richtigen Namen geben. Oh Gehirn, so schenke mir einen einzigen Gedanken nur, ich brauche noch den einen, nur den letzen, mache mich zum glücklichsten Narr unter den Kranken, zum schönsten unter den Aussätzigen und Ausgesetzten!
Wie fassungslos müssen wir also dem Satz 'Erst denken, dann sprechen' gegenüberstehen? Ist das die taube Anweisung, welcher Dunkelheit und Schlüpfrigkeit man den Vorzug geben soll?