Zeitschrift für Sprungkraft und Leuchtstoff

BST 51

Existenz auf Schmirgelpapier, 0 x 0 cm. private library.

Rätsel vom Vogel federlos

Auf einer der beiden Restmülltonnen im Eingangsflur meines Wohnhauses befindet sich ein Aufkleber, auf dem steht - in aller Weisheit des Abendlandes: Denksport statt Wehrsport.
Aus diesem entzückenden Grund gibt es heute ein Rätsel. Doch zuvor ein Zitat aus der schöngeistigen Literatur:

"Am Mann blieb der alte Fuß lange im Bild läuten, um neun stellte das Fotoalbum, der Fuß fror auf und blätterte sich aus dem Schrank, damit er nicht an die Morgen schaute."

Das ist von Peter Bichsel - der Text, in dem es sich aufhält, trägt den Namen 'Ein Tisch ist ein Tisch'. Der Protagonist benennt alle Gegenstände um, er tauscht die Namen aus, er betreibt ein finsteres, mächtiges Spiel. Und der Student der Linguistik ist beeindruckt. Es läuft ihm der sälzerne Schweiß über die Bedeckung seines Fleisches und er gerät in eine tiefe, klaffende Krise. Sind denn Bezeichnungen wirklich so sehr dem rastlos hämmernden Wahnsinn der Willkür ausgeliefert, als Geißeln und Misshandelte, sind Namen wirklich die vom Zufall barbarisch Entmündigten? Gibt es keine Hoffnung mehr auf eine concordia zwischen den Worten und den Dingen, gar zwischen Geist und Welt? Die Hände des Studenten greifen zum Bleistift und zittern ein kleines 'hilfe' in die Bank im Vorlesungssaal in der Universität in der Welt, die mit den Namen macht, wittewittewitt was ihr gefällt.
Aber wie die Mülltonnen schon betonten, man greife nicht zur Waffe(Blei) sondern betätige seinen Geist. Der Student wird in den nächsten Momenten ohnehin von den gütigen Armen des Strukturalismus umsorgt werden, ja auch bei Bichsel erhalten die Wörter ihre Bedeutung aus dem System aller restlichen Wortbedeutungen. Unbelievable. Honeybunny, that is such a sunlotion of amazing. Das beruhigt ihn fürstlich und sein Kopf sinkt unter die Schultern auf die Bank, das 'hilfe' klebt ihm an der Stirn, er wurde erhört.
Er träumt, dass es Nacht ist, draußen schneit es und Frau Bananenkopf hat nur noch Wackelpeter Himbeer auf Tash, weil sie die Waldmeistergrütze immer morgens verzehrt. Im Detektivbüro kreist der Ventilator an der Decke, durch die verbogenen Leisten der Jalousien klettert schneevermengtes Strassenlampenlicht in die Stube, auf dem Schreibtisch liegt eine Packung Mürbeteiggebäck mit Echt-Ei und an der Wand der riesige Schatten eines Kekses.
Wenn der Ventilator ein Keks ist, fragt Madame Bananenkopf wie ein Saxophon bei John Zorn, und stapft auf Stelzen an den Wänden entlang, was ist dann eine Lampe? Und löst sich unter hämischem Gelächter gruselig in eine himbeerfarbene Wolke auf.
Nun das lässt sich ohne Methode nicht lösen. Hier sei nur eine Möglichkeit erläutert, bei der man es mit folgender Fragestellung zu tun hat: Ventilator verhält sich zu Keks wie Lampe zu x? Man könnte ein Gleichungssystem aufstellen, etwa

a := Ventilator
a' := Keks
b := Lampe
Seien r,q Relationen
Gesucht ist x, mit ara' und brx sowie aqb und a'qx.

p und q bestimmen sich aus gewissen Dissonanzen und Konsonanzen unter den Eigenschaften der jeweiligen Variablen. Bananenkopf taucht auf und unterbricht den Studenten: Auch hier hat man wieder ein Martyrium aus Möglichkeiten. Zum Beispiel: Man bestimme die Menge der Eigenschaften, und glaube tatsächlich daran, dass die Eigenschaften eines Gegenstandes eine Anzahl hätten. Jetzt bildet man die jeweiligen Mächtigkeitsquotienten der Eigenschaftsmengen und erhält in etwa so etwas wie: x hat sieben Eigenschaften.
Oder man bestimmt p und q aus ästhetischen Klangfarbenverhältnissen des Gegebenen. Ventilator geteilt durch Keks und Keks durch Ventilator und Lampe durch Ventilator und Ventilator durch Lampe fühlen sich auf der Netzhaut der Seele so und so an, so dass sich die Quotientenklangfarbe von Lampe durch x ergibt und man x ganz einfach, leichter Hand, ohne weiteres, im Nu bestimmen kann.
Ein Vorschlag meinerseits (viele werden es schon auf der Zunge gehabt haben): x ist Milchshake.
Zur Motivation und Freisetzung von Knobelfreude sei nochmals daran erinnert: Denksport statt Wehrsport. Das haben wir von den Mülltonnen gelernt. Übrigens: Natürlich ist der erwähnte Studentekopp später durch die Klausur gerasselt. Es folgte ein weiterer Traum von Frau Bananenkopf.

Glücklicherweise haben wir kein Bewusstsein.

Heizöl auf Nessel, 12x7 cm. Privatbesitz.

Nichtstationäre Zustände

Gestern habe ich folgenden Bandnamen bei lastfm gefunden, einfach Tagradio Post-Hardcore und: Artist In The Ambulance. Der Künstler in der Ambulanz. Das ist zum einen natürlich eine schlichte Situationsbeschreibung. Wir können uns das gut vorstellen, wie er noch Acrylflecken auf Handrücken und Hosenbein hat und so weiter, was mit seinem nach unten über die Augenhöhlen herab stürzenden Wildbachbrauen abgeht, die da verwildert hinabstrüppen und sich wie Schlingpflanzen über den Rilkeschen Augenbogenbau hermachen. Wie er dann die Einverständniserklärung ausfüllt, is' zwar nur 'ne Blinddarm-OP, wird schon werden Junge, aber vielleicht rutscht ja doch jemand mit dem Instrumentarium in das vordere Abdomen und verletzt eine Doppelhelix der Künstler-DNA. Später wacht er auf, seinen Nukleotidketten geht es supi, alles lief paletti, bisschen benommen ist er noch aber das kennt er ohnehin. Auch vom Malen und von der Wirklichkeit. Und das erinnert ihn daran:
Zum anderen ist artist in the ambulance eine Art Bewusstseinszustand, der jeden treffen kann. Beispielsweise nach sieben Stunden an der Theke McRib verkaufen, wo man sich kurz im CocaCola-Spiegel an der Wand sieht, die Schnauze voll hat, die Differenz aus Ich und Tätigkeit hautnah in der Seele und so spürt und sich denkt: Jawoll Alter: Ich bin jetzt in dieser Stunde: Künstler in der Ambulanz.
Oder: Man ist völlig versoffen um vier zu Hause mit der ersten Morgenbrandung angespült worden, hört sich nochmals Shunat by Nikakoi an und greift zum verachteten Mobiltelefon. Kurzmitteilung. Mitbewohnerin. Schlüssel verloren. Ruf doch an ja, wenn du zu Haus' bist. Nachher gammelt man noch im Bett herum, und gemahnt kurz zur Verbesserung des Komforts zum Aufstehen, zum sich Erheben, zum Ausbreiten der Atlasschwingen. Sie steht auf. Man legt eine zusätzliche Decke auf die Matratze und legt sich wieder hin. Jetzt kommt das wichtigste, man singt jetzt nämlich folgendes: Put your hands up in the air, it's so much weicher there. Und das zieht sich über Minuten. Und das ist es. Das ist artist in the ambulance. Nicht als Bewusstsein, sondern als Situation. Und man sieht, die haben sich echt was gedacht, als sie sich den Namen ausdachten, also darüber nachgedacht. Das verstehen wir. Fassen wir zusammen:.